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Zu Hintergründen im Fall Tagebuch einer Dame Aktenvermerk aus der Polizeidirektion München
München, Ende Januar 1908

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Viereck

Dokument

StaatsA Mü: Pol.dir. München 7240

Einordnung

Aktenvormerkung der Polizeidirektion (Bittinger) betr. Tagebuch einer Dame (München/ Leipzig: R. Piper u. Co., 1907), beschlagnahmt durch Beschluß des K.A.G. München I vom 8.9.1907 — München, Ende Januar 1908. Siehe zum Gang der Ermittlungen die eingehendere Fallstudie.

Vom 4.10.97 bis 8.1.1900 (abgemeldet nach Heidelberg) lebte hier die Schriftstellerin Elfriede Meinhold, geb. 25.8.1868 zu Schloß Schweinsburg in Sachsen/ K. Amtshgtm. Zwickau) als Tochter des Rittergutsbesitzers R. Meinhold und Maria, geb. v. Nostiz-Drzewiecka.

Sie verkehrte unter der Schwabinger Bohème, wurde vielfach im "Cafe Luitpold" gesehen in der Gesellschaft von M. G. Konrad, Maler Lammert, Hans v. Gumpenberg, Halbe (?), Wedekind, Levi, Freiin von Bülow x.x. Sie war bekannt als Dame, die "ihre Jungfernschaft nicht los wird." Gleichzeitig lebte hier

und zwar schon seit 18.10.1895 und nur bis 21.7.1899 :

ihr Bruder, der k. sächs. Premierltt. a.D. u. Kunstmaler Siegfried Meinhold, geb. 10. Sept. 1863, welcher am 1.10.1896 sich mit Maria Emilie Josephine geb. Kiefer aus Lörrach in Baden vermählte

1 Kind: Kriemh. Maria Emilie Meinhold, geb. 3.3.99 :.

Die Eheleute trennten sich späterhin; Siegfried Meinhold zog nach Berka a. Ilm in Thüringen, seine Ehefrau blieb hier, Nymphenburgerstr. 163o, dann Pündterstraße 12, [...] reiste am 7.I.1903, unbekannt wohin ab. Siegfried Meinhold soll übrigens im lfd. Monat nach S.W. Afrika abgereist sein, um Farmer zu werden. —

Elfriede Meinhold hat tatsächlich ein Tagebuch, dessen Inhalt wohl zum Teil mit dem "Tagebuch einer Dame" übereinstimmt, geführt; es wurde nach ihrem am 4. Nov. 1906 erfolgten Tod von ihrem älteren Bruder, Hauptmann a.D. Meinhold in Dresden-Trachau, vorgefunden und vernichtet. Dieses Tagebuch scheint in die Hände eines Geliebten der x. Meinhold gelangt u. von diesem abgeschrieben oder exzerpiert worden zu sein.

Das Buch stellt sich in seiner nunmehrigen Form als ein sensationelles, die Familie Meinhold sowie alle darin vorkommenden und leicht erkennbaren Personen schwer kompromittierendes Machwerk dar. Sein Erscheinen dürfte darnach bei einer größeren Zahl von Personen große Besorgnis erregt haben.

Ob die Herausgabe mehr ein Racheakt ist oder mehr aus Gewinnsucht geschah, ist ohne weiteres nicht zu entscheiden; doch möchte letzteres anzunehmen sein

 

Bittinger


Ende