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Gutachten von Hans Oldenbourg betr. "teilweiser Unbrauchbarmachung" des Tagebuchs einer Dame
München, 6.7.1908.

Linie
Viereck

Dokument

StaatsA Mü: Pol.dir. München 7240

Einordnung

Oldenbourgs Gutachten zu den Kosten "teilweiser Unbrauchbarmachung" des Tagebuchs einer Dame erfolgt auf Anfrage der Polizeidirektion München, die ein gerichtliches Urteil an dieser Stelle möglichst kostengünstig für den Staat umzusetzen hat, der letztendlich für den Verlust aufkommen wird, der dem Verlag durch die Unbrauchbarmachung entsehen wird. Siehe eingehendere Fallstudie zum Gang der Dinge.

[...]

  1. Was das Ueberdrucken der bezeichneten Stellen anbetrifft, so halte ich dieses Auskunftsmittel, die bezeichneten Stellen unleserlich zu machen, für vollständig ausgeschlossen; denn einesteils würde das Ueberdrucken bei dem Umfang der einzelnen Stellen überaus schwierig sein und andererseits würde durch dieses Verfahren das ganze Buch entwertet werden. Wer würde wohl ein Buch kaufen in welchem ca. 30 Seiten zum grössten Teil schwarz überdruckt wären?

[...]

[Bei der blatt- bzw. bogenweisen Herausnahme der Seiten und deren Neusatz muß jede herausgenommene Stelle durch Neutext entsprechender Länge ersetzt werden. Bei 1000 Exemplaren würde Oldenbourg die blattweise Erneuerung für 266 Mark machen, die bogenweise kostete für 1000 Exemplare 848 Mark — eine Preisangabe, die sich reduzierte, wenn ein größerer Teil noch ungebunden oder broschiert wäre. Auf die Frage nach dem Restwert der so behandelten Auflage führt Oldenbourg aus:]

Schließlich gestatte ich mir auf die Anfrage, ob nach der Unbrauchbarmachung, bezw. Ergänzung der zahlreichen und umfangreichen in dem Urteile näher bezeichneten Stellen die betreffenden Exemplare überhaupt noch buchhändlerischen Wert besitzen und welche Wege zur Verbreitung offen stehen, zu bemerken, dass die im Sinne des Urteils abgeänderten Bücher unter allen Umständen ein unschönes und den Käufer nicht mehr anziehendes Aussehen erhalten werden. Ich glaube deshalb, dass ein entsprechender Umsatz auf dem sonst üblichen Wege der Versendung und des Vertriebs von belletristischen Novitäten nicht zu erzielen sein wird. Es stünde daher meines Erachtens nur noch der Verkauf der ganzen Auflage an einen Ramschhändler offen, wobei zu bedenken ist, dass derartige Händler kaum 25% des Verkaufswertes bei Uebernahme solcher Auflagen bezahlen.

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Ende