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Anordnung der Reichsschrifttumskammer über schädliches und unerwünschtes Schrifttum
25.4.1935

Linie
Viereck

Dokument

StaatsA Mü: Pol.dir. München 7450
BayHStA./II: MWi 2814
StaatsA Mü: Pol.dir. München 7456

Einordnung

Der von Wismann unterzeichnete Erlaß wird im Völkischen Beobachter (8.5.1935) veröffentlicht. Am 29.7.1935 befindet sich (so auf Anfrage der Münchner Polizeidirektion die Reichsschrifttumskammer) die Liste jedoch noch immer im Druck. Bei der Münchner Polizeidirektion trifft sie in ihrer ersten Ausfertigung erst Mitte April 1936 ein. Im Verkehr zwischen den einzelnen Ämtern folgten dem Erlaß die weiteren Erlasse.

Es gehört zu den Obliegenheiten der Reichsschrifttumskammer, das deutsche Kulturleben von allem schädlichen und unerwünschten Schrifttum rein zu halten. Dieses Reinigungswerk, das insbesondere auch die Jugend vor verderblichen Einflüssen schützt, ist nicht zuletzt dank der Mitarbeit des Buchhandels in allen seinen Verzweigungen soweit gediehen, daß das Gesetz zu Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18. Dezember 1926 (RGBl I, S. 505) als überholt angesehen werden konnte. Dieses Gesetz ist daher am 10. April 1935 (RGBl. I S. 341) aufgehoben worden.

Für die künftige Regelung erlasse ich auf Grund des § 25 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergestzes vom 1. November 1933 (RGBl. I, S. 797 ff.) folgende Anordnung.

§ 1

Die Reichsschrifttumskammer führt eine Liste solcher Bücher und Schriften, die das nationalsozialistische Kulturwollen gefährden. Die Verbreitung dieser Bücher und Schriften durch öffentlich zugängliche Büchereien und durch den Buchhandel in jeder Form (Verlag, Ladenbuchhandel, Versandbuchhandel, Reisebuchhandel, Leihbüchereien usw.) ist untersagt.

§ 2

Die Reichsschrifttumskammer führt eine weitere Liste solcher Bücher und Schriften, die zwar nicht in die § 1 erwähnte Liste aufzunehmen, jedoch ungeeignet sind, in die Hände Jugendlicher zu gelangen. Solche Schriften dürfen:

  1. nicht in Schaufenstern und allgemein zugänglichen Bücherständen öffentlich ausgelegt werden,
  2. nicht durch Reisende, Buchkarenhändler, Ausstellungshändler und sonstige Händler ohne festen Verkaufsraum vertrieben werden,
  3. nicht an Jugendliche unter 18 Jahren ausgehändigt werden.

§ 3

Wer gegen die Bestimmungen der §§ 1 und 2 verstößt, rechtfertigt die Annahme, daß er die erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung im Sinne des § 10 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 (RGBl. I S.797) nicht besitzt. Er hat somit den Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer zu gewärtigen. Sofern er nicht Mitglied der Reichsschrifttumskammer ist, kann ihm die etwa erteilte Erlaubnis für den Vertrieb von Büchern und Schriften entzogen werden. In leichteren Fällen können nach § 28 der genannten Durchführungsverordnung Ordnungsstrafen verfhängt werden.

§ 4

Anträge auf Aufnahme in die Liste der §§ 1 und 2 sind an die Reichsschrifttumskammer zu richten. Die Entscheidung darüber fällt der Präsident der Reichsschrifttumskammer im Einvernmehmen mit dem Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda; im Falle des § 2 ist außerdem die Zustimmung des Herrn Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volsbildung einzuholen.

§ 5

Rein wissenschaftliches Schrifttum ist von dieser Regelung ausgenommen; doch können auch rein wissenschaftliches Schriften auf die im § 1 erwähnte Liste gesetzt werden, wenn der Herr Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volsbildung es wünscht oder damit einverstanden ist.

§ 6

Verbote, die nach den bisherigen Bestimmungen ausgesprochen sind, werden durch diese Anordnung nicht aufgehoben.

Berlin, den 25. April 1935
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer
I.V. gez. W i s m a n n.


Ende