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Erlaß der BPP an die Polizeidirektionen, Staatspolizeiämter, Bezirksamtsaußensitze, Stadtkommissäre, Grenzpolizei- und Grenzkontrollstellen sowie an die Kreisregierungen in Bayern
München, 18.4.1936

Linie
Viereck

Dokument

StaatsA Mü: Pol.dir. München 7450

Einordnung

Reaktion auf die nun eigetroffene Liste und die ihr vorausgegangene Anordnung der Reichsschrifttumskammer über schädliches und unerwünschtes Schrifttum vom 25.4.1935. Am 12.12 erreicht die Polizeidirektion ein Brief des Stadtjugendamtes, das auch gerne ein Exemplar dieser Liste hätte. Man teilt jedoch mit, daß man selbst nur eines habe, stellt dem Stadtjugendamt anheim doch direkt die Reichsschrifttumskammer um ein Exemplar zu bitten.

Betrifft: Liste des schädlichen und
   unerwünschten Schrifttums
Beilage: Liste Nr. 6243

 

Anliegend wird die von der Reichsschrifttumskammer herausgegebene Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums übersandt.

 

Nach – 1 der als Einleitung zu der übersandten Liste abgedruckten Anordnung des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer über schädliches und unerwünschtes Schrifttum vom 25.4.1935 ist die Verbreitung aller Bücher und Broschüren, die in diese Liste aufgenommen sind, "durch öffentlich zugängliche Büchereien und durch den Buchhandel in jeder Form (Verlag, Ladenbuchhandel, Versandbuchhandel, Reisebuchhandel, Leihbüchereien usw.) untersagt" Der Herr Präsident der Reichsschrifttumskammer ersucht gemäss – 29 der 1. Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1.11.1933 (RGBl. I S.797) die Behörden der Politischen Polizei um Rechtshilfe bei der Durchführung seiner Anordnung vom 25.4.1935 in der Form, dass seitens der Polizei alle entgegen seiner Anordnung noch im Buchhandel, insbesondere auch in Leihbüchereien oder Antiquariaten auftauchenden Exemplare der in die Liste aufgenommenen Bücher und Broschüren auf Grund der Anordnung des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer kurzerhand weggenommen und eingezogen werden. Auf etwaige Beschwerden hin ist jeweils mitzuteilen, dass das betreffende Buch von dem Präsidenten der Reichsschrifttumskammer als unerwünscht im Sinne des – 1 seiner Anordnung vom 25.4.1935 bezeichnet sei und daher seine Verbreitung polizeilich nicht zugelassen werden könne.

Die Liste selbst gilt grundsätzlich als vertraulich und soll als solche nach dem Wunsche des Herrn Präsidenten der Reichsschrifttumskammer auch dem Buchhandel nicht bekannt gegeben werden. Sie ist lediglich den Zentralstellen der ständischen Organisationen des Buchhandels zugegangen, so dass die einzelnen Buchhändler die Möglichkeit haben, bei diesen Zentralstellen anzufragen, ob etwa ein Verbot der Reichsschrifttumskammer für ein bestimmtes Buch oder einen bestimmten Autor vorliegt oder nicht.

Das unter Ziffer I (Einzelschriften) und Ziffer II (Sammelwerke) zusammengetragene Material gibt den Polizeibehörden eine lange erwartete Handhabe, um gegen das unerwünschte Schrifttum, namentlich in den Leihbüchereien und Antiquariaten und in gewissen unzuverlässigen Verlagen nachdrücklich einschreiten zu können.

Der Abschnitt III (Zeitschriften) ist unvollständig und enthält teilweise auch unrichtige Angaben. Die Zusammenstellung verbotener Zeitschriften gehört auch nicht zu den Aufgaben der Reichsschrifttumskammer. Dieser Abschnitt wird bei künftigen Auflagen daher wohl weggelassen werden. Bezüglich der periodischen Druckschriften (Zeitschriften und Zeitungen) sind jedenfalls für die Polizei auch weiterhin bei inländischen Zeitungen und Zeitschriften die bestehenden polizeilichen Einzelverbote, bei ausländischen Zeitungen und Zeitschriften die die Angaben in der bekannten Liste des Herrn Reichs- und Preussischen Ministers des Innern massgebend und allein zu beachten.

Nicht in die Liste aufgenommen ist teilweise das ausgesprochen marxistische und kommunistische Schrifttum, das, wie bisher, bei Auftauchen ohne weiteres zu beschlagnahmen und einzuziehen ist.

Nachträge zu den Listen werden entweder in Form besonderer Nachtragslisten oder aber durch Veröffentlichung im "Deutschen Kriminalpolizeiblatt" bekannt gegeben. Die übersandten Exemplare sind von den Dienststellen, denen sie zugesandt werden, an Hand dieser Veröffentlichungen laufend zu ergänzen.

Die Durchführung der Säuberung des Buchhandels von dem in der Liste aufgeführten unerwünschten Schrifttum soll nicht zu einer Beunruhigung und Schädigung des Buchhandels führen. Eine Überprüfung des Buchhandels soll daher nur nach und nach und möglichst unauffällig erfolgen. Lediglich die Buchhandlungen, Buchverlage Leihbüchereien und Antiquariate, die dafür bekannt sind, dass sie ständig und soweit es irgendwie trotz der polizeilichen Überwachung möglich war, politisch unerwünschtes Schrifttum vertreiben oder auf Lager halten, sind allgemein sofort zu überholen. Dabei ist das in der Liste aufgeführte Schrifttum ausnahmslos wegzunehmen und einzuziehen. [...]

Diese Anordnung bezieht sich selbstverständlich nicht auf öffentliche Büchereien, die von staatlichen, kommunalen oder Parteistellen betreut werden, insbesondere auch nicht auf die von der Arbeitsfront betreuten Werkbüchereien einzelner gewerblicher Betriebe.

Die bei der Überholung der Buchhandlungen usw. anfallenden Bücher sind mit kurzem Bericht der Bayerischen Politischen Polizei vorzulegen

I.V.
gez. Stepp.


Ende