Gutachten Dr. Hugo Koch, Abteilung Schrifttum der RSK, gegen Karl Heinz Hederichs← Engagement für die Astrologie in seiner Arbeit für die PPK.←
Dokument
Abschriftlich in BAB (Reichskanzlei) R 43 II/ 479a
A b s c h r i f t
Abteilung Schrifttum
Referat: Dr Koch
S 8170/12.2.40-975 2/14.
Berlin, den 20. M a i 1941
Aufzeichnung über die Stellung des Pg. Hederich← zur Astrologie.
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Bis zum März 1939 gab es bei der Reichsschrifttumskammer eine Beratungsstelle für astrologische und verwandte Literatur. Diese Beratungsstelle wurde auf meinen Vorschlag vom 28. Januar 1939 (VIII 8170/5.3.37-101 1/5) aufgehoben. Als Begründung führte ich an:
"Ich halte daher die von der RSK vorgeschlagene Aufhebung der Vorlagepflicht für die bessere Lösung. Die Abteilung wird dadurch von einer äußerst unangnehmen Verquickung mit einer wenig positiven Schrifttumsgattung befreit und kann in Zukunft gegen alle unliebsamen Erscheinungen auf diesem Gebiete mit Verboten vorgehen."
Pg. Hederich← der um diese Zeit schon aus dem Ministerium ausgeschieden war, zog daraufhin diese Literaturgattung in den Zuständigkeitsbereich der PPK.← Er stellte einen aktiven Astrologen, einen gewissen Herrn Dr. Kittler, ein, der in der Folgezeit seine Auffassungen, die er mit "Kosmobiologie" bezeichnete, im astrologischen Schrifttum durchzusetzen versuchte.
In der Anlage sind einige von Dr. Kittler angefertigte Gutachten beigefügt,← die aufzeigen, wie durch diesen Referenten der astrologische Einfluß systematisch gedeckt und verbreitert wurde und wie er versuchte, die nationalsozialistische Weltanschauung mit derAstrologie in Einklang zu bringen.
(Auf Antrag des Reichsleiters Rosenberg← und des Reichsbauernführers wurden durch uns am 15. März 1939 dreizehn astrologische Kalender verboten. Diese Kalender hatten vorher der PPK vorgelegen, von der sie ausdrücklich genehmigt worden waren (Die PPK. übt bekanntlich in Überschreitung ihrer Zuständigkeit eine totale Kalenderzensur aus.)
Besonders interessant ist hier das Gutachten des Dr. Kittler zu dem von uns verbotenen Mond-Kalender 1939. Die Argumente des Reichsbauernführers, denen wir zustimmten, legten dar, daß zur Erreichung einer guten Ernte die wissenschaftlichen Ergebnisse der modernen Forschung berücksichtigt werden müssen und nicht astrologische Zaubereien. Dr. Kitler dagegen urteilt.
"Der Verfasser verbreitet sich in diesem Ansatz über seine Efolge bei der Untersuchung der Richtigkeit der überlieferten Bauernregeln. Der sachliche Weg, den der Verfasser dabei einschlägt ist zugleich ein Musterbeispiel kosmobiologischer Forschung auf diesem Gebiete. Altes kosmobiologisches Wissen wird hier in seinem wertvollen Kern in Verbindung gebracht mit Erfahrungen moderner landwirtschaftlicher Bodenbearbeitung. –
Ein erfreulicher Beitrag, dessen Veröffentlichung nichts im Wege steht."
Als 1 Jahr später das Erscheinen der astrologischen Kalender wieder zur Debatte stand, trieb Hederich die Angelegenheit bis vor den Führer. Der Führer entschied damals, daß kein weiterer astrologischer Kalender erscheinen sollte. Im Zusammenhang mit dieser Streitfrage richtete Hederich am 14. Oktober 1939 einen Schnellbrief an die Schrifttumsabteilung, aus dem deutlich seine Neigung zur Astrologie und die Beschäftigung der PPK. mit astrologischen Fragen hervorgehen. Abschrift ist in Anlage beigefügt.←
Abschließend zu dieser Kalendergeschichte muß noch festgestellt werden, daß die neuen Kalender ohne unser und der Dienststelle Rosenberg Dazwischentreten, von der PPK wieder genehmigt worden waren. Zum Beweis hierfür Auszug aus einem Schreiben des Uranus-Verlages Max Duphorn vom 8.&nsbp;Oktober 1939: "Seit Juli liegt der Umbruch für unseren Hamburger Uranus-Kalender 1940 bei der PPK. zur Prüfung. Auf mehrmaliges Anfragen dort wurde uns zur Antwort [gegeben], daß von dort aus keine Bedenken gegen die Genehmigung bestehen, doch seien noch grundsätzliche Frage über das allgemeine Erscheinen der astrologischen Kalender zu klären "
Als ich kurz nach Kriegsausbruch beauftragt wurde, die gesamte astrologische, spiritistische und okkultistische Literatur zu verbieten setzte sofort nach den ersten Beschlagnahmungen die Gegenreaktion Hederichs ein. Die Zusammenhänge waren sofort klar:
Die betroffenen Verleger wandte sich beschwerdeführend an den Astrologen Dr. Kittler. Kittler rief mich eines Tages an und bat um Auskunft über die getroffenen Verbotsmaßnahmen. Schon am nächsten Tage wurde ich von Pg. Hederich angerufen, der gegen ein Gesamtverbot der astrologischen Literatur Einspruch erhob. Es fanden darauf in den Diensträumen zwei längere Besprechungen zwischen Pg. Hederich und mir statt, in denen Hederich seinen Standpunkt wie folgt präsentierte:
Es gäbe eine Reihe minderwertiger Schriften auf diesem Gebiete, gegen deren Verbot er nichts einzuwenden habe. Darüber hinaus sei jedoch die eigentliche Astrologie durchaus ernst zu nehmen. Ein Gesamtverbot könne ohne oberste Parteientscheidungen nicht gefällt werden und es sei sowohl für unser Haus als auch für mich ein persönliches Wagnis, wenn ich mich nicht an die Parteilinie halte. Die Entscheidung von Reichsleiter Rosenberg sei nicht als verbindlich anzusehen, und es müsse unbedingt eine Entscheidung des Stellvertreters des Führers herbeigeführt werden. Er selbst wolle es übernehmen, eine derartige Entscheidung zu erreichen.
In einem zu meinen Händen gerichteten Schreiben vom 2. April 1940 schreibt Hederich:
"Es ist nun einmal so, daß auf dem in Rede stehenden Gebiet auch sehr ernsthafte Bestrebungen vorliegen, die Betrachtung verdienen und deren Verbot nicht in Frage kommen kann."
Es ist für die Taktik Hederichs bezeichnend, daß der dem Verbot der unbedeutenden Schriften zustimmte, während er die eigentlich gefährlichen Schriften, wie astrologische Lehbücher und dgl. schützte.
Da es mir bei diesen widersprechenden Meinungen innerhalb der beiden Parteidienststellen nicht möglich war, die offizielle Parteilinie zu erkennen, bat ich mit Schreiben vom 10. Oktober 1940 den Stabsleiter des Reichleiters Rosenberg, Pg. Urban, die Angelegenheit erneut an den Reichsleiter heranzutragen und ihn um eine offizielle Stellungnahme zu bitten. Eine Antwort auf dieses Schreiben habe ich bis heute nicht erhalten.
Auf Seite der PPK. war inzwischen Pg. Schulte-Strathaus vom Stabe des Stellvertreters des Führers getreten, der zu den Verbotsvorschlägen des Amtes Rosenberg schrieb, daß sich die Balken biegen würden, wenn en derartige Verbot zustande käme und daß noch in Jahrhunderten das Gelächter darüber nicht verstummen würde.
Am 23. Novmeber 1940 suchte mich schließlich der Referent Dr. Rehm von der PPK. auf und teilte mir im Beisein von Frau Brümmer mit, daß nach der Entscheidung von Rudolf Heß er dazu bestimmt sei, zu entscheiden, was an astrologischer Literatur verboten werden müsse. Er bat mich, ihm sämtliche Unterlagen, insbesondere Bücher, zu schicken, damit er in allen Einzelfällen über Verbote entscheiden könne. Ich betone ausdrücklich daß mir Pg. Dr. Rehm diese Lösung als "die offizielle und höchste Entscheidung der Partei" vortrug, an die ich mich selbstverständlich zu halten hatte und in der Folgezeit auch hielt. Diese Feststellung ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil mich Pg. Dr. Rehm einige Tage nach der Heß-Affäre anrief und mir mitteilte, daß er sich nur "innerhalb der PPK" mit derartigen Dingen befasse, und daß ich doch Ausdrücke, wie "Revisionsverfahren u.s.w." vermeiden sollte. Im Beisein von Sturmbannfürer Kilpinski vom SD-Hauptamt, Pg. Kißhauer von der Dienststelle Rosenberg und Frau Brümmer, erwiderte ich dem Pg. Dr. Rehm, daß ich über diese Auslegung erstaunt sei und daß vorher die Dinge doch ganz anders gelegen hätten.
Seit der Einschaltung von Dr. Rehm in die Astrologie-Angelegenheit wurde von der PPK. kein einziges Verbot vorgeschlagen, dagegen wurden folgende von uns bereits verbotene astrologische Schriften wieder freigegeben:
4 Schriften des Astrologen Erich Carl Kühr,
"AO-Tabellen", Zusatzband zu dieser Arbeit,
Bereichnung der Ereigniszeiten und Psychologische Horoskopdeutung I. Band,
sämtlich erschienen im Regulus-Verlag, Bohneberg & Co., Görlitz
"Astrologische Ephemeriden", herausgegeben jährlich im Verlag Huber, Diessen vor München.
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD. teilte am 29. Januar 1941 mit, daß er auf Antrag der PPK. diese Schriften wieder freigegeben habe. Aus Loyalität uns gegenüber hatte Sturmbannführer von Kilpinski mich vorher angerufen und um Stellungnahme gebeten. Da ich den Antrag der PPK nach allem, was vorausgegangen war, als oberste Parteientscheidung werten mußte, hatt ich nicht gegen die Aufhebung des Verbots unternommen.
Ob die PPK. inzwischen weitere von uns verfügte Verbote aufgehoben hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Abschließend möchte ich auf Grund meiner 5jährigen Tätigkeit als Verbotsreferent, bei der ich unausgesetzt mit Übergriffen der PPK. zu kämpfen hatte, folgendes Urteil zu der Angelegenheit astrologischer Literatur abgeben:
Pg. Hederich wird mit seiner raffinierten Taktik versuchen, die Verantwortung von sich zu schieben und dabei mit dem Hinweis operieren, daß seine Dienststelle nicht zuständig sei, und daß er sich nur insoweit für astrologische Literatur interessiert habe, als sie direkte Anspielungen auf den Nationalsozialismus enthalten habe. Ich kann auf Grund unzähliger Unterredungen mit Hederich bezeugen, daß er ein ausgesprochener Anhänger der Astrologie ist. Dasselbe können sämtliche Referenten der Abteilung Schrifttum. Ich weise nur auf eine Referentenbesprechung hin, die kur nach dem 4. Februar 1938 stattfand. In dieser Referentenbesprechung erklärte Hederich, daß er auf Grund eines Horoskopes genau gewußt habe, daß am 4. Februar sich etwas ereigne.
Gez. K o c h
20./V. 41