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Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums, PPK

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Viereck Olaf Simons, 2004

Lag es bis 1933 noch ganz im Interesse der NSDAP, daß sich möglichst viele Organe, Verlage und Autoren zu ihrer Politik bekannten, so gestaltete sich die Lage nach der "Machtübernahme" neu. Ein Problem wurde nun die Trennung der offiziellen Parteilinie von allen Publikationen, die unauthorisiert Parteipolitik zu machen drohten.

Zur Lösung des Problems wird am 21.4.1934 die "Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums," kurz PPK gegründet. Ihre Aufgabe definiert sich in der Erstellung einer NS-Bibliographie — der Prüfung von Werken, die "im Titel, in der Aufmachung, in Verlagsanzeigen oder auch in der Darstellung selbst als nationalsozialistisch ausgegeben" wurden. Sie überwacht insbesondere die richtige Verwendung von Hitler-Zitaten. Leiter der PPK wird Philipp Bouhler, der im November 1934 zusätzlich zum Chef der "Kanzlei des Führers der NSDAP" ernannt wird und in dieser Funktion Hitler persönlich untersteht — eine delikate Aufhängung, ist doch Hitler wiederum persönlich am Zentralverlag der NSDAP beteiligt, der über die PPK vor allem seine Hausmacht auf dem Markt der Pateipublizistik wahrt.

Von der engen Verknüpfung der PPK mit den Interessen des Zentralverlags zeugt mehr noch die ursprüngliche organisatorische Aufhängung — die Arbeit der neuen Stelle geht in der Anfangsphase vom Lektorat des Zentralverlags aus. Im November 1934 wird die Diensstelle von München nach Berlin verlegt und damit organisatorisch vom Verlag unabhängig. Erst die "Anordung des Stellvertreters des Führers" vom 6.1.1936 gibt der Stelle jedoch eigenständige Kompetenzen. Ihr Geschäftsführer wird Karl Heinz Hederich, der als Bouhlers Stelvertreter die PPK de facto leitet. Organisatorisch bewältigte sie ihr Arbeit ab dem Februar 1935 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bücherei in Leipzig, in der sie eine eigene "Bibliographische Auskunftsstelle" unterhielt — was erneut eine pikante historische Fügung ist: die Deutsche Bücherei sollte nach dem Krieg im Auftrag der sowjetischen Behörden am Mammutwerk der NS-Bibliographie weiterarbeiten, das in den Jahren von 1946 bis 1952 zur Herausgabe der einzelnen Bände der "Liste der auszusondernden nationalsozialistischen) Literatur" führte.

Die Kompetenzen der PPK auf dem Gebiet der Buch- und Presezensur wurden bald nach ihrer Gründung zum Austragungsort der Konkurrenz zwischen dem Mediengiganten NSDAP auf der einen Seite und dem Propagandaministerium und der Wehrmacht (ab 1940 wichtigster Bücherkunde und als Papierkontingentsträger defacto zunehmend eigenverantwortlich verlegerisch tätig) auf der anderen. Anfängliche Versuce diesen Konflikt zu umgehen scheitern — Goebbels und Bouhler einigen sich am 28.7.1937 darauf daß Hederich zudem Leiter der Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums wird — betraut mit der Aufgabe die Kompetenzen beider Institutionen zusammenzuführen. Goebbels muß Ende 1938 von hederich trennen. Die PPK wird wenig später auf dem gebiet der Buchzensur zur rivalisierenden Institution.

Laut ihren Ausführungsbestimmungen vom 15.3.1934 (abgedruckt im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels Nr. 92 vom 21.4.1934, S. 367f. kontrolliert und überprüft die PPK alle Schriften, die in irgendeiner Form nationalsozialistische Inhalte wiedergaben. Sie erteilt positive Entscheide in Form des "Unbedenklichkeitsvermerks" für die Veröffentlichung eines Textes und negative, die von der Aufforderung zur Änderung einzelner Passagen bis zum Verbot für den Verlag, je wieder nationalsozialistische Schriften zu veröffentlichen oder zu vertreiben, reichen können. Bereits die Zuständigkeit ist offen gefaßt. Die Kontrolle von Schulbüchern, Almanachen, Kalendern, Enzyklopädien und Lexika fällt in das Gebiet. Unklar blieb, mehr noch, die exekutive Handhabung des Auftrags. Während das von Goebbels geführte Propagandaministerium alles unternimmt, um den Polizeiapparat gleichzuschalten, der bislang in der Buch- und Pressezensur tätig wurde, dringt man in der PPK auf eigene Befugnisse Bücher verbieten zu dürfen und dazu ohne vorherige Rücksprache auf die Gestapo zugreifen zu können.

Der Kompetenzstreit eskaliert, als das Propagandaministerium mit dem Krieg zuerst auf dem Gebiet der Schriften von militärischem Belang die Vorzensur einführt. Solange die Nachzensur galt — der Zugriff allein auf bereits gedruckte Werke, konnte die PPK Verbotsanträge nahezu mit gleicher Macht wie das Propagandaministerium stellen — alle Bücher, die das Propagandaministerium vorab genehmigte, drohten dagegen nicht mehr verbietbare Bücher zu werden. Philipp Bouhler nutzt in dieser Situation Anfang 1941 erfolgreich seine persönlichen Beziehungen zu Bormann, um zu erwirken, daß die PPK die Gestapo direkt für Zugriffe auf Auflagen und Verlage einsetzen kann. Das Verbot des bei Bertelsmann seit 1940 verlegten Bestsellers zur Eroberung des Norwegischen Narvik wird im Frühjahr 1941 zum Testfall im Streit zwischen der PPK und dem Propagandaministerium. Bertelsmann, der mittlerweile stärkste Rivale des Zentraverlags der NSDAP, muß im Verlauf der Auseinandersetzung auf Initiative der PPK hin das bereits vom Propagandaministerium genehmigte und in Hunderttausender-Auflage verkaufte Buch vom Markt nehmen — der Fall wird, wie wenig vorher geplant, Hitler persönlich zu einer Entscheidung vorgelegt, bei der Goebbels keine Mitsprache hat.

Die Macht der PPK schwindet nachdem 1942 die Papierkontingentierung eingeführt wird, unter der praktisch jede Publikation der Vorabgenehmigung seitens des Propagandaministeriums bedarf.

 

Dokumente

10.3.1941

Schreiben Martin Bormann an Reichsminister Lammers: Hitler gesteht der PPK, Philipp Bouhler, zu, Verbotsanträge bei der Gestapo (Sicherheitshauptamt) zu stellen. Das Verbot soll letzlich nach wie vor nur vom Propaganda-Ministerium ausgesprochen werden können, dieses jedoch muß sich binnen drei Wochen zu dem Antrag äußern, er ist ansonsten angenommen.

2.4.1941

Schreiben Lammers an Goebbels: Hitler gesteht der PPK, zu Verbotsanträge bei der Gestapo (Sicherheitshauptamt) zu stellen. In einer Dreiwochenfrist kann das RMVP Einspruch erheben, im Konfliktfall wird Lammers die Frage eines Buchverbots Hitler zur Entscheidung vorlegen. — Ging im Durchschlag an die PPK.

 

Literatur

Jan-Pieter Barbian, Literaturpolitik im "Dritten Reich". Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, 2. Aufl. (München: dtv, 1995), S. 298-321.


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