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Will Vesper an Leopold Gutterer wg. Verlagsschließung C. Bertelsmann
Triangel, 7.4.1943

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Viereck Transkript: Olaf Simons

Einordnung

Will Vesper setzt sich nach Absprache mit Gustav Dessin, dem Hauptlektor bei Bertelsmann, gegenüber Staatssekretär Gutterer dafür ein, daß das Unternehmen von der aktuellen Schließungswelle verschont wird und schlägt vor, daß Bertelsmann seine — nicht kriegswichtige — theologische Produktion zu diesem Zweck einer Veragstochter (gemeint ist der Verlag "Der Rufer") überträgt, die sodann geschlossen wird, während das Hauptunternehmen weiterarbeiten kann.

Das Schreiben ging samt Begleitbrief am 7.4.1943 im Durchschlag an Dessin. Die angeregte Problemlösung wurde am Ende umgesetzt.

Dokument

Literaturarchiv Marbach: Nachlaß Will Vesper

Triangel, den 7.4.43.

Herrn Staatssekretär
Leopold Gutterer

B e r l i n  W 8.

 

Sehr verehrter Heer Staatssekretär!

 

Ihre guten Wünsche zu meinem 60. Geburtstag und Ihr freundliches Schreiben zu meinem Spanienbuch geben mir den Mut, vertraulich aber mit offenen Worten um Ihre Aufmerksamkeit in folgender Angelegenheit zu bitten.

Einer meiner Verleger, der bekannte Verlag Bertelsmann in Gütersloh, ist, wie ich höre, von der Schließung bedroht. Ich kenne den Verlag Bertelsmann seit Jahrzehnten als einen in jeder Beziehung vorbildlichen Verlag. In der echten Kameradschaft zwischen Betriebsführung und Gefolgschaft, in seiner sozialen Fürsorge für Angestellte und Arbeiter, im guten Treueverhältnis zu seinen Autoren, der echten Volkstümlichkeit seines Verlagswerkes, den vertrauensvollen Beziehungen zum gesamten deutschen Buchhandel, seiner ect deutschen und zuverlässig nationalsozialistischen Gesinnung ist mir der Verlag stets als en deutscher Musterbetrieb erschienen. Ich kennen keinen Verlag — und ich kenne viele Verlage — von so vorbildlichem Aufbau in allen seinen Teilen. Darum war der Verlag auch als der erste deutsche Verlag sogleich bei Beginn des Krieges in der Lage, sich mit Wagemut und Umsicht in den Dienst des Krieges, vor allem der Wehrmacht, zu stellen. Seine vorbildlichen Feldpostausgaben waren die ersten in Deutschland. Mehr als zehn Millionen sind davon bereits verbreitet, weitere Millionen sind im Erscheinen. Dabei hat der Verlag den größten Teil seiner Gefolgschaft an die Wehrmacht abgegeben und arbeitet mit den bescheidensten Kräften. Durch eine Schließung werden|<2> bestimmt keine neuen Kräfte frei, vielmehr ist zu fürchten, daß jede Störung mehr Kräfte fordern wird, wenn man nicht das ganze große Verlagswerk zertrümmern will. Aber über al dies kann der Verlag selber am besten genaue Unterlagen geben. Ich möchte Sie nur bitten, diese Unterlagen anzufordern oder, soweit sie schon vorliegen einzusehen. Sie werden dann mit mir und sicher dem ganzen deutschen Buchhandel der Meinung sein, daß die Schließung dieses Verlages eine unverantwortliche Schädigung wäre, bei der nichts für den Krieg gewonnen, aber viel verloren würde.

Ich weiß wohl, daß Schließungen notwendig sind und daß sie immer hart treffen. Ich habe es durch die Einstellung meiner "Neuen Literatur" an mir selbst erfahren müssen. Aber im Falle Bertelsmann handelt es sich nicht um private Schmerzen und Interessen, sondern um mehr. Ich wende mich auch nicht etwa im Auftrag des Verlages an Sie, auch nicht als interessierter Autor, sondern als Nationalsozialist, der nach dem Wort des Führers aufstehen und warnen soll, wenn er Schaden für die Allgemeinheit entstehen sieht. Und schlimmsten Schaden sehe ich hier drohen:

Der deutsche Buchhandel weiß, daß der Verlag Bertelsmann wirklich ein Musterbetrieb ist, weiß daß die Aufgaben dieses Betriebes von keinem anderen Verlag besser gelöst werden können. Jeder deutsche Buchhändler wird es daher für unmöglich halten, daß gerade dieser Verlag geschlossen wird, solange überhaupt noch ein deutscher Verlag besteht. Keiner wird an eine sachliche Notwendigkeit glauben. Jeder deutsche Buchhändler, aber auch jeder geistig Interessierte weiß nämlich, daß der Verlag Bertelsmann neben seinem großen schönwissenschaftlichen Verlag auch eine alte christliche Tradition hat, eine Tradition lutherisch-protestantischer Prägung — übrigens weit entfernt von jedem Bekenntnischristentum und aller kirchlichen Bindung. Eine Schließung des Verlages wird man daher in der Öffentlichkeit unbedingt|<3> zu dieser Tatsache in Beziehung setzen.

Darum möchte ich vertraulich anregen, dem Verlag Bertelsmann nahezulegen, seine alte protestantische Abteilung von dem schönwissenschaftlichen Verlag scharf und endgültig zu trennen. Da der Besitzer mehrere Söhne hat — der Älteste ist gefallen — wäre eine solche Trennung wohl leicht durchzuführen und ohne jedes öffentliche Ärgernis ließe sich so alle etwa gefürchtete Einwirkung auf den schönwissenschaftlichen Verlag vermeiden. Ein großes Unternehmen von wahrhaft nationaler Bedeutung gerade in diesem totalen Kriege bliebe erhalten und eine drohende tiefgehende Verstimmung weiter Kreise würde vermieden. Wird dieser Verlag aber geschlossen — wo noch so viele bestehen bleiben, die ihm nicht von ferne an Beudeutung und Notwendigkeit für die Gegenwart gleichkommen — so wird niemand mehr den Versicherungen Glauben schenken, daß die Schließungen tatsächlich nur den Kriegsnotwendigkeiten dienen sollen. Das aber, was etwa vom Standpunkt der nationalsozialistischen Bewegung aus erreicht werden soll und muß, läßt sich besser auf dem vorgeschlagenen Weg der Trennung innerhalb des Verlages Bertelsmann erreichen.

Verzeihen Sie diese offenen Worte. Nehmen Sie sie als Zeugnis eines immer nur um Deutschland und das Werk des Führers besorgten Herzens und persönlich als ein Zeichen des Vertrauens zu Ihnen. Einer Antwort bedarf der Brief nicht. Es genügt mir, wenn es mir gelang, Ihre Aufmerksamkeit auf diesen entscheidenden Fall zu lenken.

Heil Hitler!
Ihr ergebener      
Will Vesper


Ende