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Matthias Lackas, Verteidigungsschrift
Berlin, 22.4.1944

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Viereck Auszugsweises Transkript Olaf Simons, 2003

Einordnung

Von Matthias Lackas am 22.4.1944 im Prozeß gegen ihn u.a. schriftlich dem Gericht vorgelegte Verteidigungsschrift.

Dokument

BA Aachen RH 69/1a.

Abschrift
Für die eigene Verteidigung

 

Einleitend möchte ich bemerken, dass ich nicht in der Lage war, Unterlagen für meine Verteidigung zu beschaffen, obwohl die Mölichkeit bestand aus der Fülle der beschlagnahmten Papiere eine ganze Anzahl entlastender Schriftstücke herauszufinden. Es wurde alles streng behütet. Mein Bruder sollte schon einmal verhaftet werden, weil er aus der bereits freigegebenen Wohnung in der Fichtestrasse nach Monaten meiner Verhaftung einige rein persönliche Schriftstücke (Krankenkasse usw.) mitgenommen hat.

Die Anklageschrift bekam ich erst einen halben Tag vor der Verhandlung zu sehen, so dass es gar keinen Zweck mehr hatte, meinen Verteidiger mit der Beschaffung von entlastendem Material zu bemühen. So wären z.B. Leumundszeugnisse meiner früheren Vorgesetzten für mich nicht unwichtig gewesen.

Mein Bruder, der nach dem tragischen Tod meines Vaters quasi als Familienoerhaupt gilt, der von meiner Sache absolut nichts wußte, da ich seit 1½Jahren vor meiner Verhaftung wegen einer Auseinandersetzung keine Verbindung mit ihm hatte, trug genau wie meine arme Mutter und Schwestern schwer an meinem Schicksal. Er hatte nur die Möglichkeit, meinen Anwalt über mein früheres Leben zu informieren und er sollte vor allem der Dolmetsch zu meiner alten Mutter sein, während hierüber mein Schicksal entschieden wird. Es ist für mich unbegreiflich, daß er verhaftet wurde und ich muß die Tatsache rundheraus al Freiheitsberaubung bezeichnen. Daß meine Existenz dadurch auf dem Spiele steht, sei nur nebenbei erwähnt. Das Leid meiner Mutter und Schwestern wzrde dadurch nur größer, was für mich eine große seelische Belastung bedeutet und mich stark beeinträchtigt. Daß für mich Entlastungszeugen als "gesperrt" gelten, entnahm ich den Worten des Anklagevertreters [Kriegsgerichtsrat Jürgens], als ich z.B. Herrn Dr. Becker als Zeugen haben wollte. Er sagte wörtlich: "Ich bin hier, um Sie|<2> anzuklagen, nicht um Ihnen Entlastungszeugen zu bestellen." Herr Dr. Becker ist auch tatsächlich nicht erschienen. Von dieser Erklärung war ich erschüttert, glaubte ich doch bisher immer, daß auch der Angeklagte Recht habe, seine Unschuld zu beweisen und sein Recht zu suchen. Es geht hier ja schließlich nicht um eine kleine Strafe, sondern es wird über ein Menschenschicksal entschieden, um das eine ganze Familie bangt und leidet.

Ich möchte noch meine Vermutung über die Gründe meiner Verhaftung erwähnen: Herr Major Meinert begab sich auf die Suche nach Verlegern, die wohl geeignet seien, gemeinsam Sturm gegen mich zu laufen. Er fand einen begeisterten Mitkämpfer in Dr. Roeseler vom Deutschen Verlag, welcher ja schon ½Jahr auf eine Gelegenheit lauerte, mich "abzuschießen", was ihm bis dahin trotz größter Anstrengungen bei der RSK, OKW und RLM nicht gelang. Herr Dr. Eggebrecht war natürlich auch sofort mit von der Partie, weil er bei der Gelegenheit gleich 2 "Fliegen mit einer Klappe" schlagen konnte.

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Ich möchte jetzt nochmals auf die mir vorgeworfenen Verfehlungen eingehen. Ich will alles so darstellen, wie ich es gesehen habe. Es liegt mir fern, mich etwa reinwaschen zu wollen, ich weiß jetzt, daß ich gefehlt habe. Ich möchte lediglich das Gericht bitten, meine Begründungen bei der Abwägung der Schuld und der Verurteilung mildernd zu berücksichtigen. Ich bin in meinem fanatischen Ehrgeiz über die Stränge geschlagen. Mein besessener Berufsehrgeiz ist Schuld daran, daß ich mich hier zu verantworten habe. Ich habe gewiß auch gerne Geld verdient, aber die Sucht nach Erfolg reizte mich mehr. Ich bin dabei in einen Strudel geraten, der mich nicht mehr los ließ. Ich habe nie geglaubt, daß ich mich strafbar mache, ich habe immer nur das Ergebnis meiner Arbeit gesehen, etwa 6 Millionen Soldaten und Verwundete haben durch meine Arbeit zur Erholung und Entspannung ein Buch erhalten. Ich hätte eher mit der Verleihung eines Ordens gerechnet, als mit einem Verfahren vor Gericht. Ich bin bisher unbestraft und ohne Tadel durchs Leben gegangen und nun werde ich von dem Anklagevertreter als "große Verbrechernatur" bezeichnet.

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In jeder Kneipe wurden damals von Soldaten, die durch Köln fuhren, diese Waren angeboten und es wurde sogar ganz offen damit gehandelt. Auch hier bin ich den Bitten von Bekannten und vor allem auch meiner Chefs aus dem Deutschen Verlag (Dr. Roeseler, Lachmann, Gronle, Wolf und Henze) nachgekommen.|<9> Die Drängelei nach Lieferung solcher Waren im Deutschen Verlag war manchmal geradezu widerlich. Ich wurde öfters, ohne daß ein besonderer Grund vorlag, zur "Kundenbetreuung" nach Köln geschickt, nur damit ich von dort aus Pakete schicke oder mitbringe. [...] Ich selbst habe so anspruchslos gelebt, wie jeder andere Mensch in Berlin, das wird Frau Peters sicherlich auch ausgesagt haben. Ich habe mich gefreut, wenn ich anderen Menschen eine Freude bereiten konnte. Meine Gutmütigkeit (lies Dämlichkeit) war ja sprichwörtlich.

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Ich glaube bestimmt, daß auch hier wiederum OKW-Inland der Ausgangspunkt aller Gerüchte war. Daß auch der Deutsche Verlag die Hand im Spie-le hatte, konnte man auf 100 Kilometer riechen. Es war bei den unbestimm-ten Gerüchten öfter mein Name gefallen. Wenn dann gefragt wurde, was denn gegen Lackas vorliege, zuckte man allenfalls nur vielsagend mit den Schultern und verwies zwecks näherer Auskünfte an Herrn Prokurist Lachmann im Deutschen|<14> Verlag. Ich konnte mich darüber ärgern, denn diese Haltung des Deutschen Verlages zeigte nur die grenzenslose Wut über ihre eigene Unfähigkeit. Der "kleine" Lackas machte die Geschäfte im OKH, weil er es besser konnte und der Deutsche Verlag mußte mit verzerrte Gesichtern feststellen, daß doch nur die eigene Initiative für den Erfolg maßgebend ist, nicht die Größe des Hauses und der davorhängende Hoheitsadler.

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Ich stand mit Moldt zusammen vor meinen Papieren und sagte nach einiger Überlegung wörtlich: "Ich tue nichts weg, denn ich habe nichts verbrochen." So ist denn alles liegen geblieben wie es vorgefunden wurde. Daß nunmehr auch für mich feststeht, daß ich gefehlt habe gebe ich unumwunden zu. Es sind Schweinereien passiert, die ich nicht mehr rückgängig machen kann. Ich kann nur aufrichtig bereuen, daß sie vorgekommen sind. Ich kann nur aufrichtig bereuen, daß sie vorgekommen sind. Durch meine riesenhaften Erfolge bin ich in meiner Großmannssucht innerhalb eines einzigen Jahres angetrieben von 60 bis 70 Verlegern, die nicht minder papierhungrig waren wie ich, ins Unglück regelrecht hineingelaufen. Als "kleiner Lackas" wurde ich von fast allen bedeutenden Verlegern, Dienststellen, Behörden usw. hofiert und poussiert und mein Ehrgeiz so weit gesteigert, bis er strafbar wurde. An einem Teil der Verfehlungen mag auch die ungeheuere Arbeitslast, die ich zu tragen hatte, Schuld gewesen sein. Heute glaube ich,|<29> daß ich zeitweise den Verstand verloren haben muß. Ich bitte zu berücksichtigen, daß mir die Dinge von den Dienststellen sehr leicht gemacht wurden. Innerhalb der Luftwaffe wird sowieso eine lockerere großzügigere Arbeitsmethode geführt und es ist sprichwörtlich, daß für dieselbe Sache, deren Erledigung bei der Luftwaffe 2 Stunden dauert, beim Heer 8 Tage benötigt werden. Damit soll gesagt sein, daß über bürokratische Hindernisse bei Luftwaffe der einfach hinweggefegt wird [!] Leider, so kann ich heute nur sagen, habe ich viel zu viele offene Türen gefunden und meine Wünsche wurden allzu leicht erfüllt. Mein rheinisches Temperament und meine rheinische Art haben dann eventuell noch vorhandene Hindernisse leicht aus dem Wege geräumt. Mir ist eben einfach alles geglückt, was ich angefaßt habe.

Für das, was ich ausgefressen habe, muß ich jetzt gerade stehen. Ich kann natürlich nicht alles, was mir vorgeworfen wird, bedingungslos auf mich laden. Ich bin für manche Tat, die mir vorgehalten wird, nicht verantwortlich zu machen und lehne auch die Verantwortung ab.

Ich bitte das Gericht herzlich, auch das "Für" zu berücksichtigen, wenn auch hier nicht die Rede von meinen guten Taten war. Es ist aber Tatsache, daß ich auch viele gute Seiten an mir habe. Ich bin nicht der Strolch für den ich hier gehalten werde. Der Krieg hat mich vielleicht schlechter gemacht und ich bin mit verbundenen Augen mit einem Leichtsinn der strafbar ist, in mein Unglück gelaufen. Unter der ganzen Sache leidet meine arme alte Mutter und meine Geschwister am meisten. Sie werden gleichzeitig mit mir verurteilt, das tut mir am meisten weh! Ich bitte um eine gewissenhafte Abwägung der Schuld und Nichtschuld und um eine gerechte Verurteilung!


Ende