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Lackas, Matthias
28.11.1905 - 29.5.1968

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Viereck Hans-Eugen Bühler / Olaf Simons, 2003

 

 

Biographie
Literatur
Dokumente
Matthias Lackas, 1938

Bild: Aus dem Wehrpaß 1938, BA-ZNS Aachen RH 360 1e

 

 

Biographie

Buchhändler, Verlagsvertreter, während des Zweiten Weltkriegs zeitweiliger Geschäftsführer der Versanbuchhandlung Arnold, in dieser Position sowie als nachmaliger Mitarbeiter im Deutschen Archiv Verlag zentral in den Korruptionsskandal verwickelt, in den 1943/44 Heeres- und Luftwaffenstellen hineingezogen wurden. Nach dem Krieg zweite Karriere als erfolgreicher Verleger: Gründer des Perlen-Verlags, Marbach am Neckar, dann München, der seit 1963 unter dem Namen Südwest-Verlag in München firmiert, und der mit Graudenz' Buch der Etikette einen der größten Geschäftserfolge der fünfziger und sechziger Jahre verbuchte. Gründer zudem eines eigenen Buch-Clubs, der mit großem geschäftlichem Erfolg Mitte der fünfziger Jahre im Bertelsmann Lesering aufging. Initiator der Matthias Lackas Stiftung, die sich heute in der deutschen Krebsforschung engagiert.

Geboren am 28.11.1905 in Merzig an der Saar als Sohn von Margarete Lackas, geb. Bauer und Nikolaus Lackas, Volksschullehrer. Religion: Katholisch. Umzug am 1.10.1911 mit den Eltern nach Trier, dort Volksschule und Gymnasium bis zur Quarta. Weiterer Umzug in Trier Nikolausstr. 39. 1917/1918 Dorfschule in Damflos im Hunsrück - nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen. Lackas ist von schwächlicher Konstitution, seine Eltern erhoffen sich eine physische Stärkung im Reizklima des Hunsrücks (siehe dazu die Aussagen seiner Schwester vom 20.5.1944). Abermaliger Umzug der Familie in Trier, diesmal in die 27.7.1918 Speestr. 10 (Angaben nach Einwohnermeldeamt).

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Ausbildung zum Buchhändler mit Einblicken ins Verlagsgeschäft und scheiternde Versuche, sich selbständig zu machen

1.4.1920 bis 31.3.1923 Lehre mit anschließendem einjährigem Volontariat im Verlag Jacob Lintz - Einführung in alle Verlagsarbeiten, so sein Zeugnis "wie Auslieferung, Verkehr mit unseren Leipziger Kommissionären, Kontenführung sowie Statistiken". 31.12.1925 bis 31.5.1927 Anstellung bei der Buchhandlung Worringer in Neuwied, eine Position, die ihm - der Besitzer Paul Worringer unterhält nebenbei Heusers Verlag (Quelle: Gewerbekartei des städtischen Steueramtes Trier, hier: Einwohnermeldekartei Straßen, Stadtarchiv Trier) abermals Einblicke in die Verlagsarbeit verschafft. Lackas erhält wieder ein positives Zeugnis. Er lernt zudem am Ort die Bibliothekarin, Grohne (Vorname unbekannt) kennen, der er 1941 im Wehrbeschaffungsamt des Führungsstabes der Luftwaffe wieder begegnen wird.

Mehrere Versuche, eine selbständige Existenz aufzubauen verlaufen unglücklich. Am 26.7.1927 meldet Lackas die "Trierische Lehrmittel-Anstalt Fr. Val. Lintz, Inhaber Mathias Lackas Trier/ Mosel, Speestr. 15." an. Sein Vater muß im Verlauf für ihn bürgen. Das Unternehmen, das Landkarten an Schulen verkaufen sollte, scheitert in Folge der Einsparungen, die im Rahmen der Notverordnung die Schulen treffen. Lackas verläßt Trier und arbeitet ab 1931 als Vertreter beim Columbus- bzw. beim Drei-Kegel-Verlag in Berlin. Die Unternehmen gehören zum kartographischen Institut Familie Oestergaard und produzieren Schulwandkarten, Erdgloben und Atlanten. 1933 Anstellung als Vertreter in der ebenfalls der Familie Oestergaard gehörenden Lehrmittel- und Globusfabrik Räth in Leipzig. Am 23.2.1934 meldet Lackas seinen Wohnsitz im elterlichen Haus in Trier ab. Gleichzeitig wechselt er zur Versandbuchhandlung Räth & Co, Leipzig.

1935 arbeitet Lackas beim Aichacher Kurier, einer Zeitungsdruckerei mit Buchhandlung - sein Bruder Joseph ist hier Geschäftsführer, die Position scheint eine Notlösung gewesen zu sein. Ab 1936 ist er wieder im Landkartenvertrieb tätig, diesmal für den Gea-Verlag Albers KG, Berlin W 35, Potsdamer Str.91 - soweit ersichtlich mit größerem Erfolg. Er aktiviert vom 18.7.1936 bis zum 27.8.1938 noch einmal die "Trierische Lehrmittel-Anstalt Fr. Val. Lintz, Inhaber Mathias Lackas, Trier/ Mosel, Speestr. 15.", meldet zudem am 1.1.1938 eine "Vertretung von Schulbüchern, Trier/ Mosel, Speestr. 15." an. Die Unternehmung erlischt am 17.1.1940.

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Vom Generalvertreter des Deutschen Verlags für das Rheinland zum Geschäftsführer der hauseigenen Versandbuchandlung Arnold

Im Februar 1939 erlangt Lackas eine Anstellung als Korrespondent im Deutschen Verlag, Berlin, dem ehemaligen Haus Ullstein. Auf eine Aushilfsvertretung in Hamburg folgt die Übertragung der Generalvertretung für das Rheinland. Lackas bezieht ein möbliertes Zimmer in Köln, Moltkestr. 27, seine monatliche Miete beträgt 63 RM - die Wohnung, die er auch in den folgenden Jahren nicht mehr aufgibt. In Köln erhält er, was Rückschlüsse auf sein Arbeitsgebiet zuläßt, ein Einreisevisum für die besetzten Gebiete Eupen, Malmedy und Luxemburg (BA Aachen RH 69,1e). Seine Tätigkeit für den Deutschen Verlag verläuft äußerst erfolgreich, Lackas bringt seinen Bezirk auf den zweiten Platz in der verlagsinternen Rangskala.

Am 11.1.1941 macht Otto Lachmann, Prokurist im Deutschen Verlag, Lackas zum Geschäftsführer der Verluste schreibenden Versandbuchhandlung Georg Arnold, Berlin, einer Unternehmenstochter. Lackas bezieht die möblierte zwei Zimmereinliegerwohnung, Fichtestr.13 bei Rumpf, die der Verlag ihm zur Verfügung stellt. Die Miete beträgt 150 RM. Die finanziellen Probleme des ihm anvertrauten Unternehmens, das mit 50 Angestellten und einem Jahresumsatz von durchschnittlichen RM 500.000 rote Zahlen schreibt, löst er dadurch, daß er es als Zwischenhandelsfirma zuerst bei der Luftwaffe in Anschlag bringt. Der Dienststelle Heinrich Schepelmanns, in der ihm die ehemalige Neuwieder Bibliothekarin Grohne weiterhilft, bietet er die Zusammenstellung kompletter Lazarett-Bibliotheken an - erfolgreich, da die Luftwaffe kaum länger bei einem einzigen Unternehmen, dem Verlag von Schepelmanns Freund Rolf Roeingh, Bücher kaufen kann, ohne in Verdacht der Korruption zu geraten.

Lackas organisiert als Lösung des Problems einen Verteilerschlüssel - öffentliche Diensstellen kaufen nach diesem über die Buchhandlung Arnold bei einer Vielzahl von Verlagen ein, bei denen Lackas sich wiederum günstige Konditionen verschafft. Die Buchhandlung Arnold beginnt, schwarze Zahlen zu schreiben und überflügelt bald in ihren Gewinnen das Mutterunternehmen. Lackas' Gehalt wird bei 350 RM eingefroren, Provisionen, die ihm Geschäftspartner aus der Verlagswelt gewähren, schöpft er über ihm unterstehende Mitarbeiter - insbesondere über seinen persönlichen Freund Eberhard Ritter von Riewel ab. Die öffentlichen Stellen, die über ihn Bücher erwerben, hält er sich über einen florierenden Handel mit Mangelwaren warm, die er auf dem schwarzen Markt in Köln sowie im angrenzenden westlichen Ausland beschaffen muß.

Am 4.6.1942 kommen erstmals unternehmensintern Korruptionsvorwürfe gegen Lackas auf. Der von ihm entlassene Verlagsbuchhändler Alexander van der Berg wendet sich brieflich an ihn: "Menschen wie Sie gehören nicht in leitende Positionen und für mich war es stets beschämend, zusehen zu müssen, wie Sie durch Hergabe von Kaffee, Zigarren, Stoffen, Cognak, der aus Kölner Heeresbeständen herrührt, einen gegen den anderen ausspielten und sich hörig machten". Lackas leitet den Drohbrief jedoch an seine Vorgesetzten im Deutschen Verlag weiter. Otto Lachmann weist van der Berg am 5.6.1942 an, sich bei Lackas zu entschuldigen, Berg nimmt am 8.6. seine Anschuldigungen zurück. Was von der Berg nicht im ganzen Ausmaß begriff: gerade Lachmann und sein Vorgesetzter Dr. Johannes Roeseler förderten selbst die Mangelwarentransporte, die Lackas organisierte. Aufschluß über die Geschäfte, die Lackas Mitte 1942 machte, gibt das Testament, das er am 25.8.1942 anläßlich einer geplanten Reise nach Riga anfertigte.

Zum Bruch mit dem Deutschen Verlag kommt es am 1.12.1942 nach einem Streit mit Roeseler, der bereits seit längerem Anstoß an den Provisionszahlungen nahm, die Lackas seinem nächsten Untergebenen, dem kriegsversehrten und darum besonders für Vorsprachen bei Wehrmachtsstellen geeigneten Verlagsvertreter Karl Heinz Moldt gewährte. Roeseler bot Moldt die Festanstellung im Deutschen Verlag bei einem Gehalt von 500 RM an, falls er dafür auf die Annahmen von Provisionen verzichtete - ein Angebt, das Lackas seinerseits nutzt, um den Bruch mit Roeseler herbeizuführen.

Der Plan, sich mit Moldt und von Riewel selbständig zu machen, scheitert für Lackas, als er (vermutlich) am 5.12.1942 die Einberufung in den Kriegsdienst erhält. Er organisiert in den folgenden Tagen Protektion seitens der Luftwaffe - Zeugnis am 8.12.1942 durch Fölkersamb, Zeugnis am 10.12.1942 durch Schepelmann. Dieser bringt Lackas schließlich bei Rolf Roingh im Deutschen Archiv Verlag unter. Am 12., am 18. und am 19.12.1942 kommt es zu Verhandlungen zwischen Schepelmann und dem Deutschen Verlag über die Modalitäten des Wechsels. Lackas verläßt am 15.12.1942 den Deutschen Verlag mit offizieller Kündigung zum 31.12., nicht ohne belastende Unterlagen für eine eventuell noch notwendige Erpressung des Deutschen Verlags, respektive zum persönlichen Schutz vor dem mächtigen Unternehmen mit sich zu nehmen.

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Rabattbeteiligt als Zwischenhändler im Deutschen Archiv-Verlag - Leben zwischen Paris und Berlin

Mit Lamprecht und Roeseler handelte Schepelmann eine Regelung fragwürdiger praktischer Konsequenz aus. Dem Deutschen Verlag sollen 40% der Aufträge bleiben, die Schepelmanns Dienststelle über Lackas an die Buchhandlung Arnold vergab. An Lackas im Deutschen Archiv Verlag sollten 20% der Neuaufträge ergehen, der Rest sollte auf Konkurrenten verteilt werden - der Stellungswechsel, den Lackas vollzog, sollte nach Außen als Maßnahme geführt werden, die sicherstellt, daß die Luftwaffe über ein breites und keiner Korruption gefügiges Netz an Unternehmen Bücher kauft.

Das Arrangement, das Lackas und Roeingh am 12.12.1942 in Schepelmanns Gegenwart untereinander beschlossen, lief primär zu Lasten der Luftwaffe: Roeingh erbat für seinen Verlag einen mindestens 30prozentigen Rabatt auf alle Buchprojekte anderer Verlage aus, die über den Archiv-Verlag abgewickelt würden, Lackas selbst sollte ein Drittel des von den Verlagen gewährten Rabatts erhalten - bei Rabatten von bis zu 55% im Falle des Verlags C. Bertelsmann eine Regelung zu beiderseitigen Nutzen, die letztlich die Luftwaffe finanzierte, die Bücher über Lackas zum Handelspreis kaufte, ohne einen Anteil am Rabatt zu erlangen. Schepelmann stimmte, persönlich bei Roeingh verschuldet, in die Regelung ein. Die Regelung ist für Lackas insbesondere profitabel, da er Aufträge, die einzelne Unternehmen mit der Buchhandlung Arnold anbahnten und verrechneten nun ein weiteres Mal unter Abschöpfung des Rabattanteils gegenüber dem Deutschen Archiv-Verlag zu eigenem Vorteil verbuchen kann.

Am 31.12.1942 wechseln Lackas und Moldt in den Deutschen Archiv Verlag - Lackas mit einem Einkommen von RM 1.000. Intensiv bearbeitet Lackas alle Geschäftspartner aus seiner Zeit beim Deutschen Verlag, weitere Buchverkäufe an Wehrmachtsstellen auch weiterhin über ihn laufen zu lassen - insbesondere die Entscheidung, die bei Bertelsmann im Januar 1944 für ihn und gegen den Deutschen Verlag fällt, wird hier profitabel. Ab dem 7.1.1943 kommt es zu Konflikten zwischen dem Deutschen Verlag und Lackas wegen der Papiere, die dieser mitnahm. Am 26.1.1943 spricht Dr. Roeselers für den Deutschen Verlag mit dem Referenten der Reichsschrifttumskammer, Hermes, über die Gefahren, die dem Unternehmen durch Lackas drohen. Roeseler ist im Moment noch nicht an einem Vorgehen gegen Lackas gelegen. Hermes: notiert in seinen Akten "Herr Dr. Roeseler gab diese Mitteilung mit der Bemerkung, das der Firma zunächst an einer Bestrafung des Herrn Lackas nicht gelegen sei, er sich aber vorbehalten würde, Sofern sich Herr Lackas noch etwas zu schulden kommen lasse, der Kammer sofort Mitteilung zu machen." Am 1.3.1943 wird Roeseler bei Wilhelm Baur, von der Reichsschrifttumskammer, wegen eines Vorgehens gegen Lackas vorstellig (Quelle: BA Kornelimünster, RH 69,1c, S. 55) am 15.3.1943 wendet sich Matthias Lackas seinerseits Baur, mit der Bitte um eine "für seine berufliche Laufbahn notwendige Unterredung". Baur vermerkt handschriftlich auf dem Anschreiben: »L. ist m. E. ein übler Geschäftemacher. Ich bin froh, daß er nicht mehr im Dt. Verlag tätig ist.« (Quelle: StA Detmold, D21A, 1280, Bd. I. und II.) Lackas plant ab dem Frühjahr 1943 den Erwerb der Stuttgarter Buchhandlung Greiner, ein Plan, der Jupp Daehler und den Bertelsmann-Mitarbeiter Johannes Banzhaf involviert, dessen weitere Uk-Stellung ab dem April 1943 fraglich ist. Daehler soll seine guten Kontakte zu Parteistellen für den Erwerb nutzen, scheitert jedoch.

Lackas hat während seiner Arbeit für den Deutschen Archiv Verlag Beziehungen zum Heer und hier zur Dienststelle Walter Pinskis geknüpft, der ihn wiederum mit Jupp Daehler in Kontakt brachte. Die jetzt getätigten Geschäfte laufen ohne Rabattbeteiligung des Deutschen Archiv-Verlags und bringen Lackas am ehesten in die Position eines Vermittlers von Rohstoffkontingenten. Im Sommer 1943 pendelt er im Zweiwochen-Turnus zwischen Paris und Berlin, bemüht, in Berlin unter der Hand ihm zustehende Vermögenswerte in Roeinghs Unternehmen zu sichern. Der Unternehmenschef ist seinerseits überwiegend in Paris und mit der Transferierung von Vermögenswerten ins Ausland beschäftigt. Lackas erwirbt illegal Rohstoffkontingente, die er über Fritz Wixforth bei Bertelsmann im Umland von Gütersloh einlagern läßt.

Am 21.7.1943 erstehen Lackas und Banzhaf zu gleichen Teilen Häuser in Deutsch-Krone für 1.5. Mio. RM. Am 31.7.1943 kündigt Lackas beim Deutschen Archiv-Verlag und schreibt hierzu unter anderem an den Suhrkamp-Verlag vorm. S. Fischer Verag, Berlin; den Wolfgang-Krüger-Verlag, Berlin; den Wilhelm Frick-Verlag, Wien; den C. Bertelsmann, Gütersloh; den Verlag Karl Rauch, Dessau; den Societäts-Verlag , Frankfurt (Eher-Konzern); den Stufen-Verlag, Leipzig, die Verlagsbuchhandlung Ludwig Kicheler, Darmstadt; den Verlag H. Goverts, Hamburg; den Willibald-Keller-Verlag, Leipzig; den Völkischen Verlag, Düsseldorf; Piper & Co, München; die Saarpfälzische Druckerei- und Verlagsgesellschaft, Kaiserslautern, den Eugen Händle-Verlag, Mühlacker. Seine Pläne, auf eigene Faust die Buchhandlung Greiner zu erwerben scheitern jedoch am Widerstand der Reichsschrifttumskammer, ohne daß er Einblick in die Gründe dieses Scheiterns gewinnt.

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Verhaftung unter Korruptionsvorwürfen, Verurteilung zum Tode als "Volksschädling" und Rettung in den Wirren der letzten Kriegstage

Nach der Verhaftung Walter Pinskis wird Lackas am 26.8.1943 festgenommen und nach Berlin Moabit verbracht. Die Festnahmen von Moldts und von Riewels folgen rasch. Aus dem Verfahren gegen Pinski spaltet sich nach den ersten Verhören ein eigenes Verfahren gegen Lackas, Moldt und von Riewel ab. Briefe, die in den letzten August- und ersten September-Tagen von Gütersloh aus an Lackas gehen, bringen Johannes Banzhaf und den Verlag C. Bertelsmann in weiteren Verdacht, illegale Geschäfte mit Wehrmachtsstellen über Lackas getätigt zu haben. Lackas selbst bringt Geschäftskorrespondenzen in die Ermittlungen gegen ihn ein, in der Hoffnung, ihr breites Geflecht würde ihn entlasten. Johannes Banzhaf, mittlerweile Leiter des SS-eigenen Völkischen Kunstverlags in Landsberg an der Warthe wird am 13.12.1943 gefangengenommen. Die Bertelsmann-Angestellten Wilhelm Beimdieck, Gerhard Steinsiek und Fritz Wixforth werden in Untersuchungen Ende Januar 1944 in Gütersloh inhaftiert. Lackas selbst sitzt im Herbst 1943 in Isolationshaft. Zu Verhören wird er in Fesseln vorgeführt. Gezwungen, während der Fliegerangriffe auf Berlin allein in seiner Zelle auszuharren, gerät er an den Rand des Nervenzusammenbruchs siehe hierzu Schreiben Lackas an Kriegsgerichtsrat Jürgens vom 10.12.1943.). Der Prozeß gegen ihn, Moldt und von Riewel, der vom 14.3.1944 bis zum 22.4.1944 vor dem Feldgericht der Wehrmachtskommandantur stattfindet, läßt ihm nur wenig Raum, sich zu verteidigen. Am 24.4.1944 wird er als "Volksschädling" zum Tode verurteilt, von Riewel und Moldt erhalten Freiheitsstrafen. Am 20.5.1944 bittet seine Schwester, Helene Gerritzen geb. Lackas, das Gericht schriftlich um Gnade. Die ausführliche Urteilsbegründung erfolgt am 31.5.1944. Am 1.6.1944 schreibt der RSK-Präsident an Kriegsgerichtsrat Jürgens: die Reichsschrifttumskammer bezieht sich auf die Schlußbesprechung mit Jürgens anläßlich der Beendigung des Lackas-Prozesses. Danach sollte die RSK das Verfahren gegen die weiteren Beschuldigten aufgrund der Unterlagen in Gang setzen, die das Gericht der Wehrmachtskommandantur der RSK zur Verfügung stellt - die Nachfolgeverfahren kommen in Gang.

Am 12.6.1944 reicht Matthias Lackas ein Gnadengesuch in eigener Person ein. Himmler lehnt dieses Gnadengesuch am 4.9.1944 in einer kurze Notiz ab, begnadigt jedoch von Riewel und Moldt. Pinski, Schepelmann und der im Verlauf unter Anklage geratene Graf Monts überleben das Verfahren nicht - mehrere der Angeklagten begehen noch in den Zellen "Selbstmord". Lackas bleibt am Leben zumal er am 27. und am 28.9.1944 im Anschluß-Verfahren gegen Bertelsmann erneut verhört werden kann.

Im Frühjahr 1945 wird Lackas im Sammeltransport per Zug auf den Befehl Keitels hin zur "Frontbewährung", in Richtung Brünn transportiert. Als der Zug vor Pilsen, das soeben bombardiert wird, zum Stillstand kommt, läßt das Zugpersonal die Gefangenen frei. Lackas schlägt sich gen Westen durch, kommt vorübergehend in amerikanische Gefangenschaft, gelangt nach Aichach zu seinem Bruder Joseph Lackas. Sein weiterer Weg führt ihn nach Marbach/Neckar, wo der ehemalige Druckereibesitzer Cantz eine Anlaufstelle gestrandeter Verlagsbuchhändler ist (Zeitzeugenbericht Siegfried Götz gegenüber H.-E. Bühler und Olaf Simons).

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Nachkriegskarriere als Verleger in Marbach am Neckar und schließlich in München

Gemeinsam mit Johannes Banger und Johannes Hoffmann, dem späteren Ministerpräsidenten des Saarlands plant Lackas neue Projekte. Am 21.2.1946 erhalten er und Hoffmann die Lizenz für die Gründung des Saar-Verlag, Saarbrücken, (Urkunde Privatbesitz Walter Banger Marbach/Neckar). Das Unternehmen entwickelt sich jedoch wegen irregulärer Geschäftspraktiken in die vor allem Lackas involviert ist, desaströs. Lackas muß den Saarverlag wenig später im Eklat verlassen.

Am 14.7.1949 gründet er als seinen eigenen Verlag den Perlenverlag mit Sitz Hauffstr. 7. in Marbach. Eine eigene Buchgemeinschaft unter dem Titel "Bücher für alle" rundet das Geschäftsspektrum ab. Lackas gewinnt für sie, soweit ersichtlich ab 1950 800.000 Mitglieder, die die Abnahme eines Romans pro Monat abonnieren. "Bücher für alle" geht Mitte der Fünfziger Jahre nach Kontakten zwischen Lackas und Wixforth im Bertelsmann-Lesering auf. Lackas erhält eine Pacht pro überführtes Mitglied, die nach wie vor in das Vermögen der Lackas-Stiftung eingeht. Der Perlenverlag feiert Ende der fünfziger Jahre seinen herausragenden Geschäftserfolg mit Graudenz' Buch der Etikette, das zur wichtigsten Benimm-Fibel der Nachkriegsrepublik wird.

Der Perlenverlag zieht am 30.6.1958 von Marbach nach München (Einstellungstermin nach Unterlagen Stadt Marbach Bürgermeisteramt/Ordnungsamt). Am 12.3.1963 erfolgt seine Umbenennung in Südwest-Verlag, München. Die ebenfalls Lackas-eigene Süd-West-Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, gegründet 1959, verbleibt zunächst in Marbach. 1963 verkauft Lackas den Südwest-Verlag. Am 29.5.1968 stirbt er an Lungenkrebs München (Todesmeldung des Südwest-Verlags). Sein Vermögen blieb vorläufig gesichert zur Versorgung seiner Frau - nach dem Krieg hatte er die Tochter von Moldts Anwalt, Gerda Köhler, geheiratet. Seit ihrem Tod steht es der von Lackas ehemaligem Wirtschaftsprüfer geleiteten Matthias-Lackas-Stiftung zum Einsatz in Projekten der Krebsforschung zur Verfügung.

 

Literatur

Hans-Eugen Bühler/ Olaf Simons, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004), 208 S, ills. [Verlagswerbung]

 

Dokumente

Dem Prozeß vorausgehende Dokumente

31.5.27 Zeugnis der Buchhandlung P. Worringer, Neuwied für Matthias Lackas.
9.7.34 Schreiben Nikolaus Lackas an den Börsenverein der deutschen Buchhändler wegen ausstehender Mitgliedsbeiträge seines Sohnes.
5.5.42 Liebesbrief Erika Strick an Matthias Lackas.
25.8.42 Testament Matthias Lackas in Anbetracht einer geplanten Reise nach Riga.
10.12.42 Heinrich Schepelmann: Zeugnis für Matthias Lackas seitens der Luftwaffe.
16.3.43 Schreiben Beimdiek an Lackas wegen "Sonderzuteilungen" und Provisionen.

Ermittlungen

28.8.43 - 23.3.45 Übersicht über die Ermittlungen in den Verfahren gegen Pinski, Schepelmann, Lackas, die Mitarbeiter des Verlags C. Bertelsmann und andere.
22.10.43 Schreiben Gericht Wehrmachtkommandantur, Kriegsgerichtsrat Jürgens, an Luftwaffengericht.
10.12.43 Matthias Lackas an Kriegsgerichtsrat Jürgens, Gesuch mit seinem Anwalt konferieren zu können.
24.12.43 Matthias Lackas an Kriegsgerichtsrat Jürgens, Gesuch zu Verhören nicht gefesselt erscheinen zu müssen, Klage über eigenen zermürbten psychischen Zustand durch Isolationshaft.

Der Prozeß gegen Matthias Lackas und andere

3.4.44 Haensel: Recherchen bei der Rostoffstelle der Luftwaffe.
14.3.-22.4.44 Der Prozeß - das Protokoll.
20.4.44 Haensel: Sachverständigengutachten.
21.4.44 Plädoyer des Anklagevertreters, Jürgens.
22.4.44 Verteidigungsschrift Matthias Lackas (nur Beginn).
8.5.44 Gnadengesuch Heinz Moldt.
20.5.44 Gnadengesuch der Schwester von Matthias Lackas.
31.5.44 Das Urteil (nur Beginn).
9.6.44 Schreiben Gerda Köhler an den zum Tode verurteilten Matthias Lackas.
12.6.44 Gnadengesuch Matthias Lackas.
4.9.44 Ablehnung des Gnadengesuchs von Matthias Lackas durch Heinrich Himmler, Aufhebung der Urteile gegen von Riewel und Moldt.

Nachkriegskarriere

20.1.46 Matthias Lackas an Johannes Banzhaf mit Frage nach Provisionen, die ihm noch aus der Vermittlung des Luftwaffen-Kassetten-Auftrags zustehen.
21.2.46 Lizenzerteilung für den Saar-Verlag, Saarbrücken an Johannes Hoffmann und Matthias Lackas (französische Zone).
31.5.68 Todesmeldung Matthias Lackas aus dem Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Frankfurter Ausg. Nr.44.

Ende