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Ullstein Verlag, Berlin

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Viereck Provisorisch: Olaf Simons

Von Leopold Ullstein 1878 als Verlag "Berliner Zeitung Leopold Ullstein" gegründet, um dem selben Jahres erworbenen Blatt eine verlegerische Heimat zu geben. Ullsteins Verlagsunternehmen — der Firmeninhaber kommt aus der Produktion, in den Ullsteinschen Druckereien erscheinen Blätter anderer Verleger wie die Tägliche Rundschau, zielen darauf, ab die Produktionsanlagen optimal auszulasten — hier kommt es auf einen Mix an, in dem eine Morgenzeitung (am Vorabend zu drucken), eine Mittagszeitung (morgens zu drucken), und einer Abendzeitung (mittags zu drucken) die optimale Auslastung der technischen Einrichtungen garantiert. Es geht zweitens darum, Publikumsschichten optimal zu adressieren: Die auf die Provinz ausgerichtete Abendzeitung, die unter Nutzung von Post und Bahn in die Provinz geliefert wird, und 1887 erstmals unter dem Titel Berliner Abendpost erscheint, ergänzt unter diesem Kalkül mustergültig das hauptstädtische Flaggschiff.

Drittens verlangen die neu hinzukommenden Medien eigene Platformen — die Photographie wird in den 1890ern zeitungstauglich. Ullstein erwirbt die Berliner Illustrierte Zeitung, die bereits unter externer Verlegerschaft in seinem Hause produziert wurde, um sie mit neuen verlegerischen Konzepten auf dem Markt der aktuellen Bildberichterstattung durchzusetzen, sein Unternehmen gewinnt hier am Ende den Konkurrenzkampf mit der 1899 von August Scherl gegründeten Illustrierten Die Woche. Mit Zeichnungen und Fotos versehen wendet sich Ullsteins bei weitem populäreres und weltstädtischeres Blatt besonders an das weibliche Publikum. Mit Liebes- und Kriminalgeschichten wird breitflächig für Unterhaltung gesorgt und die "Amerikanisierung" des Publikumsgeschmacks vorangebracht.

Im Zeitungskrieg, der in den 1890er schließlich zwischen Leopold Ullstein, Rudolf Mosse und August Scherl tobt, geht es viertens um die Anzeigenakquise. Die von Rudolf Mosse 1867 gegründete und nach Konkurs 1871/72 neubegründete Annoncenexpedition — ein Unternehmen, das Inserate an Zeitungen vermittelt und Kooperationspartnern die Anzeigensektionen gestaltet, hat auf diesem Gebiet lange Zeit die Vorherschaft. Ullstein nutzt ursprünglich die Annoncenexpedition Mosses, versucht sich in den 1890ern jedoch auf dem Terrain selbständig zu machen. Die Errungenschaft sind auf dem neuen Feld der Auseinandersetzung Nachrichtenblätter, die für den Endkunden kostenlos vertrieben werden, finanziert allein durch das Anzeigengeschäft. Mit der Gründung der Berliner Morgenpost, die erstmals am 20.9.1898 erscheint, greift Ullstein hier zum Ende seines Lebens noch erfolgreich Scherls 1883 gegründeten Berliner Lokal-Anzeiger an. Scherl publiziert in einer Plakataktion die Auflagenzahlen seines Lokal-Anzeigers, Ullstein zieht nach und gewinnt den Kampf um das Inserentenpublikum mit dem Nachweis höherer Auflagen. Die Auseinandersetzungen mit Scherl enden in fianziell untermauerten Übereinkünften Scherl hält zweitweilig Anteile an der Morgenpost — die Verleger entschließen sich, auf Konkurrenzgründungen in Zukunft zu verzichten. Die Mopo steht der Sozialdemokratie offen gegenüber und gewinnt ihre Leserbindung durch intensive Nutzung von Leserumfragen und -diskussionen sowie Kolumnen mit "Berliner Schnauze". Zu ihren Mitarbeitern gehört der mit naturwissenschaftlichen Beiträgen auf populärem Niveau der Astronom Bruno Bürgel. Im Todesjahr Ullsteins, 1899, erreicht das Blatt einen Stamm von 160.000 Abonnenten. (Beliebt sind die Quittungen, Bilderserien, die von Kindern gesammelt werden, die für die wöchentlich einkassierte Zustellgebühr an die Kunden gehen.)

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Vom Zeitschriftenkonzern zum Mediengiganten — Ullstein unter den Söhnen des Firmengründers

Am 4. Dezember 1899 stirbt Leopold Ullstein. Seine fünf Söhne, frühzeitig in das Geschäft eingführt, führen das Unternehmen fort: Louis Ullstein, der zweitälteste übernimmt die Spitze des Konzerns. Hans und Franz Ullstein übernehmen die redaktionelle Leitung, Rudolf Ullstein die technische. Hermann Ullstein ist für das Weberessort zuständig. Die seit 1878 erscheinende Berliner Zeitung wird unter der neuen Führung 1904 mit dem Neuen Berliner Tageblatt verschmolzen und auf mittägliches Erscheinen zur Berliner Zeitung am Mittag, BZ gemacht — sie für den neuzugelassenen Vertrieb durch Straßenverkäufer eingerichtet das erstes Boulevardblatt Deutschlands.

Die Komplementierung des Zeitungsverlags durch einen Buchverlag lag nahe — Autorenbindungen ließen sich hier pflegen, Vermarktungsketten schließen. Der Buchverlag wird 1903 von Louis Ullstein, dem zweitältesten Sohn Leopold Ullsteins gegründet. Geprägt wird die Unternehmung durch den zu diesem Zeitpunkt unbekannten jüdischen Germanisten Dr. Emil Herz. Er lenkt die Geschicke des Verlags über die nächsten dreißig Jahre hinweg mit sicherem Blick für den Massenmarkt mit seinen unentdeckten Marktnischen und mit Entdeckungen auf dem literarischen Markt. 1904 eröffnet die monatlich erweiterte Edition "Musik für alle" mit dem Angebot von Auszügen für Klavier und Singstimme das Buchprogramm. 1905 wird der Modeverlag gegründet: Schnittmusterbogen erscheinen hier mit großem Markterfolg. 1908 erscheint reich illustriert der erste der später sechs Bände der "Ullstein Weltgeschichte". 1910 kommen die ersten zehn "Roten Ullstein Bücher" für je eine Mark auf den Markt — Ullstein erschließt mit ihnen das Billigpreis-Segment.

In den ersten Weltkrieg geht der Konzern mit der ganzen Breite seines Angebots. Im Buchprogramm erscheint die populäre "Kriegsbücher-Serie" mit Titeln für eine Mark das Stück. Auf dem Zeitungsmarkt wird die Vossische Zeitung, am 2.8.1914 von Ullstein erworben unter dem Chefredakteur Georg Bernstein zum Meinungsträger und Zentralorgan des Konzerns.

Am 9.11.1918 besetzen Bewaffnete der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei das Ullsteinhaus, mit dem Ziel eine Zeitung für die unabhängige Sozialdemokratie zu gewinnen. Die Berliner Allgemeinen Zeitung kommt auf diesem Wege in die Einflußsphäre der SPD. 1920 bestezen Truppen der Putschisten Kapp-Lüttwitz das Ullsteinhaus in der Kochstraße. Das Unternehmen übersteht jedoch die politischen Wirren weitgehend unbeschadet.

1919 kauft Ullstein von dem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Münchner Georg Müller Verlag dessen Klassiker-Ausgaben, darunter sämtliche Werke Goethes in 45 Bänden unter dem Titel "Propyläen-Edition". Der Name Propyläen steht bald für den neuen Verlagszweig der anspruchsvollsten Editionen: universalgeschichtliche Reihenwerke wie die Weltgeschichte in zehn Bänden, die große Propyläen Kunstgeschichte in vierundzwanzig Bänden erscheinen hier. Die Goethe-Edition findet im neuen Verlag ihren Abschuß. Eine Schiller-Ausgabe in zweiundzwanzig Bänden, mehrbändige Ausgaben von Molière, Montaigne, Gogol, Jean Paul, Stendhal, Edgar Allan Poe, Mark Twain kommen wiederholt mit Erstübersetzungen hinzu. Historische und kunstgeschichtliche Monographien ergänzen das Programm, das im Haus ob des edlen Anspruchs als die "Weinabteilung" firmiert.

Zu den prestigeträchtigen Unternehmungen gehört 1924 auf Betreiben von Julius Elias der Erwerb des 1921 vom Kunsthändler Alfred Flechtheim gegründeten Querschnitt. Brecht, Hasenclever, Horváth und Zuckmayer schreiben für die Zeitschrift der Avantgarde. Beckmann, Meidner und Picasso steuern Illustrationen bei.

Für die Neugründung Uhu engagiert der Ullstein Verlag Kurt Tucholsky, der eigens aus Paris anreist, um Macher des neuen Blattes zu werden. Nach der ersten — erfolgreichen — Nummer trennt sich der Verlag von ihm — die Konzepte für die Folgenummern liegen auf dem Tisch, kostengünstiger arbeitet Tucholsky für das neue Magazin, wenn er als freier Mitarbeiter Beiträge liefert.

Unter der Leitung des österreichischen Pianisten und Beethoven-Spezialisten Artur Schnabel erscheinen die ersten "Tonmeister-Ausgaben" — anspruchsvolle Klavierliteratur. Die Edition muß 1933 eingestellt werden. Schnabel geht 1939 ins Exil.

1925/26 arbeitet Bertolt Brecht für monatlich 600 Mark für Ullstein — dazu verpflichtet, "seine gesamte schriftstellerische Produktion an dramatischen, erzählenden und lyrischen Werken" zuerst dem Ullstein Verlag vorzulegen.

1927 wird die bauliche Modernisierung abgeschlossen. Ullstein verfügt zu diesem Zeitpunkt auf dem Industriegelände in Berlin-Tempelhof am Teltowkanal über das größte Druckhaus für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher in Europa. Am 10.4.1927 erscheint erstmals Die Grüne Post eine "Sonntagszeitung für Stadt und Land" im Unternehmen. Das Wochenblatt, ausgerichtet auf die Landbevölkerung, findet Anklang beim breiten Publikum und erreicht im Verlauf Auflagen vom über eine Million. Chefredakteur ist anfangs Ehm Welk, der als Schriftsteller durch seine Heiden von Kummerow bekannt wurde und als Leitartikler unter dem Pseudonym Thomas Trimm später noch die Konfrontation mit Goebbels riskierte. 1928 besteht Cyrill Soschka, als Herstellungsleiter auch Mitglied der Verlagsleitung, unter Androhung seiner Kündigung darauf, daß Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues im Haus erscheint — der Titel wird im Verlauf des Jahres 1928 zum Welterfolg mit Millionenauflage und einzigartiger Vermarktung. Vicki Baums Roman Menschen im Hotel bietet die andere Seite der Ullstein Produktion. Heinrich Manns Professor Unrat kommt 1930 in das Ullstein-Programm, 1931 Carl Zuckmayers Der Hauptmann von Köpenick. 1932 eröffnen im Unternehmen die Buchreihen "Unterhaltsame Wissenschaft": "Du und ...".

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Von den Nationalsozialisten zur Übergabe gezwungen

Zu Beginn der dreißiger Jahre ist Ullstein neben Hugenberg der einflußreichste Konzern im Pressesegment. Bis 1934 verlegt kein Konkurrent mehr Zeitungen, Zeitschriften und Bücher — 1934 betragen die Einnahmen aus dem Vertrieb der Zeitungssparte allein 29,6 Millionen Reichsmark; aus dem Anzeigengeschäft kommen zusätzliche 11 Millionen Reichsmark hinzu. Zeitungen im Verlag sind Berliner Morgenpost mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren pro Tag, die Montagspost mit einer weiteren halben Million, die Berliner Illustrierte mit nahezu zwei Millionen wöchentlichen Exemplaren. Zum Unternehmen gehört der Propyläen-Verlag, der BZ-Karten-Verlag, eine Verlags-Druckerei und -Binderei, selbst ein Reisebüro. Frühzeitig hatten die Nationalsozialisten ihre Ziele, den Konzern zu zerschlagen angekündigt. Nach dem ersten Jahr des Dritten Reichs geben die Söhne Leopold Ullsteins dem Druck nach und entschließen sich zum "Verkauf". Goebbels betraut Dr. Max Winkler mit den Unterhandlungen. Für zwölf Millionen Reichsmarkt — sechs Millionen für die Geschäftsanteile, vier Millionen für die nicht stimmberechtigten Aktien und zwei Millionen für die Verlagsrechte — wechselt der Konzern die Hand. Nach Abzug von 25% Kapitalausfuhrsteuer bleibt den ursprünglichen Besitzern kaum mehr als ein Bruchteil des Firmenwertes. Der Handel wird am 30.6.1934 abgeschlossen, die Aktien bei der Deutschen Bank für die in Winklers Besitz befindliche Cautio-Treuhand GmbH hinterlegt, womit der regimeinterne Machtkampf um das Unternehmen beginnt. Nach der Vertragsunterzeichnung erhält Winkler, der bis hierhin für das Propagandaministerium aufgetreten war, von Reichsleiter Max Amann, dem Chef der Reichspressekammer und Vorstandsvorsitzenden des Eher-Verlags die Nachricht, Hitler habe entschieden, daß der Ullstein-Verlag vom Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München und Berlin gekauft werde (von dem Verlag, der Hitler selbst zum Teil gehört). Es sei, so die Begründung, keineswegs förderlich, wenn eine Regierungsstelle ein so großes Unternehmen übernehme. Mit einem Kredit der Bank der Deutschen Arbeit kauft Eher das Cautio-Paket. Die Änderung der Besitzverhältnisse tritt jedoch nach Außen nicht in Erscheinung. Der Name Ullstein bleibt vorerst erhalten, auch behält der bisherige Vorstandssprecher Max Wießner seinen Posten als Verlagsleiter.

Deutscher Verlag, Berlin

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Viereck

1937 geht aus dem Verlag Ullstein der Deutsche Verlag hervor. Aus der Aktiengesellschaft wird zum 1. Januar 1938 eine Kommanditgesellschaft mit den persönlich haftenden Gesellschaftern Max Winkler und Ferdinand Bausback. In das siebenköpfige Direktorium steigen Dr. Johannes Roeseler und Wilhelm Baur auf.

Die Geschäfte werden mit der Deckung des Zentralverlags und den guten Beziehungen in die Reichsschrifttumskammer weitergeführt. Der Deutsche Verlag steigt — der Wachstumsmarkt des Dritten Reiches — 1939 in das Geschäft mit Feldpostausgaben ein, kann sich hier jedoch nicht mehr gegen Neueinsteiger wie den Verlag C. Bertelsmann aus Gütersloh durchsetzen. Ende 1941 aktiviert man die Unternehmenstochter Versandbuchhandlung Arnold, um in dieses Geschft einzusteigen. Matthias Lackas,, vordem Generalvertreter des Deutschen Verlags für das Rheinland, führt die Versandbuchhandlung erfolgreich bei der Luftwaffe ein. Der Deutsche Verlag wird zu diesem Zeitpunkt vom Generalbevollmächtigten Wießner geleitet, Verlagsdirektor ist Dr. Johannes Roeseler, erster Prokurist Otto Lachmann. Die Belegschaft besteht aus 20 Wissenschaftlern und einer großen Korrespondenz- und Expeditionsabteilung, das Unternehmen macht 10 Millionen RM Umsatz. Die Versandbuchhandlung Arnold steigert ihren Umsatz von 1.500.000 RM im Jahr 1941 auf 8.500.000 RM im Jahr 1942.

Lackas entschließt sich jedoch in der Folge mehrerer Auseinandersetzungen am 1.12.1942 das Unternehmen zu verlassen. Die Buchhandlung Arnold avancierte unter Lackas zum interessantesten Zwischenhändler zwischen Verlagen und der Luftwaffe, ohne daß dies dem Deutschen Verlag zu einem entschieden größeren Buchabsatz gegenüber öffentlichen Stellen verhalf — Lackas verkaufte über die Buchhandlung bevorzugt Ware der Konkurrez, die ihn, anders als der Mutterkonzern, mit verdeckten Provisionen am Geschäft teilhaben ließ. Nachdem Lackas zum Deutschen Archiv Verlag wechselt manövriert sich der Deutsche Verlag knapp an den Korruptionsermittlungen vorbei, die er gegen den ehemaligen Mitarbeiter in Gang bringt. Lackas wird 1944 zum Tode verurteilt, Bertelsmann in Folge des Prozesses geschlossen, die Repräsentanten des Deutschen Verlags treten im großen Korruptionsprozeß, der sich theoretisch gegen 50 Unternehmen der Verlagsbranche hätte ausweiten lassen, als Ankläger und geschädigtes Unternehmen im Raum.

Ende des Kriegs werden die wird das Verlagshaus in der Kochstraße von Bomben zerstört.

Verlag des Druckhauses Tempelhof. Vorm. Deutscher Verlag, Berlin

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Das Verlagshaus des Konzerns war Anfang 1945 zerstört. Aus dem Druckhaus Tempelhof wurden die noch verwendbaren Maschinen von den Sowjets requiriert. 1946 wird der Verlag wird von der amerikanischen Militärregierung liquidiert. Ernst R. Strunk wird als Treuhänder eingesetzt. Er verwaltet die Reste des ehemaligen Ullstein-Besitzes und ruft den "Verlag des Druckhauses Tempelhof. Vorm. Deutscher Verlag Berlin" ins Leben. Mit dem Signet des Druckhauses Tempelhof erscheint Eugen Kogons SS-Staat — Das System der deutschen Konzentrationslager. Tierbücher, Lebenshilfe, Jugendliteratur, Erlebnisberichte und Kunstgeschichtliches kommen ins Programm — vor allem unverfängliche Themenbereiche.

Ullstein-Verlag, Wien

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Parallel zum Berliner Unternehmen wird in Wien von Fritz Ross, dem Schwiegersohn von Hans Ullstein, der originäre Ullstein Verlag wieder ins Leben gerufen. Das Unternehmen erwirbt unter anderem die deutschen Rechte an Thor Heyerdahls Kontiki.

Ullstein-Verlag, Frankfurt am Main/ Wien/ Berlin

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1952 erfolgt die Rückgabe des Unternehmens an die Familie Ullstein. Frederick Ullstein, der Sohn Hermann Ullsteins, übernimmt das Buchgeschäft und leitet den Verlag bis 1959. 1953 nimmt der Ullstein Taschenbuchverlag mit Sitz in Frankfurt am Main nimmt die Arbeit auf. Die Berliner und Wiener Zweige des Verlags vereinen sich wieder. Die drei Standorte Berlin, Frankfurt am Main und Wien bleiben jedoch vorerst bestehen. Heinrich Harrers Sieben Jahre in Tibet werden mit Übersetzungen in 48 Sprachen einer der großen Erfolge des neubegründeten Unternehmens. 1955 verliert Ullstein verliert die Rechte von Im Westen nichts Neues. Felix Guggenheim, Agent unter anderem von Vicki Baum und Erich Maria Remarque, erscheinen die Auflagenzahlen in der Nachkriegszeit zu niedrig. Françoise Sagans Roman Bonjour tristesse erscheint selben Jahres mit dem neuen Anspruch des Unternehmens.

Verlag Ullstein GmbH, Darmstadt

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1959 wird der Verlag Ullstein GmbH mit Sitz in Darmstadt gegründet — vor allem, um die Büchertransporte aus West-Berlin durch die DDR zu umgehen. Albrecht Knaus leitet von Darmstadt aus bis 1963 die Verlage Ullstein und Propyläen. Unter ihm wird die neue zehnbändige Weltgeschichte herausgegeben von Golo Mann und Alfred Heuß auf den Weg gebracht. Unter Knaus erwirbt der Verlag zudem alle Rechte am Gesamtwerk Gerhart Hauptmanns.

1960 ziehen sich die Ullsteins in der dritten Generation aus dem Unternehmen zurück. Zeitungsverleger Axel C. Springer erwirbt mit den Ullstein-Zeitungen auch den Buchverlag. Unter Wolf Jobst Siedler, der zunächst, 1963, Propyläen leitet, dann von 1967-79 Geschäftsführer aller Ullstein-Buchverlage wird, beginnt die zweite Blütezeit des Verlags. Seine 1968 berufenen Berater Joachim C. Fest, Dieter Groh, Johannes Gross, Joachim Kaiser und Hans Schwab-Felisch gegen dem Unternehmen ein neues Profil. In die neue Phase fallen die achtzehnbändige Kunstgeschichte, die Klassiker-Ausgaben von Casanova (erstmals vollständig ins Deutsche übertragen), Crébillon, Diderot, Fontane und Georg Kaiser, die Graphik-Editionen, für die sich international renommierte Künstler von Peter Ackermann bis Andy Warhol gewinnen lassen, und schließlich die Werkverzeichnisse von Künstlern wie George Grosz, Alfred Hrdlicka und Marino Marini. 1975-78 wird die sechsbändige Geschichte Europas verwirklicht. Es erscheinen politische Zeugnisse von Ludwig Erhard und Eugen Gerstenmaier bis zu Ernst Reuter und Herbert Wehner, die Memoiren von Albert Speer und die große Hitler-Biographie von Joachim C. Fest.

Verlag Ullstein GmbH, Berlin

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1967 wird das Unternehmen von Darmstadt nach Berlin zurückverlegt — die neue Residenz in die Kreuzberger Lindenstraße 13 liegt etwa zweihundert Meter entfernt vom alten Verlagsgebäude in der Kochstraße. 1972: Im Taschenbuch startet die graue Reihe "Ullstein Materialien"; unter Leitung von Andreas A. Catsch werden hier neben wissenschaftlichen Originalausgaben textkritische Ausgaben von Autoren wie Erich Fromm, Einstein, Sartre, Pasolini, Chomsky, Derrida, Bakunin, Hegel und Marx ediert — bis Mitte der achtziger Jahre zählt die Reihe 400 Titel. 1974 wird der "Kontinent" als unabhängiges Forum russischer und osteuropäischer Schriftsteller und Gelehrter gegründet, mitsamt dem "Kontinent Verlag" als Stiftung.

Die Jahre 1985 bis 1995 stehen unter dem Einfluß des von Springer ins Unternehmen berufenen Münchner Verlegers Herbert Fleissner, der Teilhaber und Geschäftsführer der neuen Ullstein-Langen-Müller-Verlagsgruppe wird. In der Folgezeit gerät der Buchverlag weniger durch glanzvolle Editionen als vielmehr durch umstrittene Publikationen in die Schlagzeilen. Der Europäische Bürgerkrieg des Historikers Ernst Nolte löst den "Historikerstreit" aus. Nach der Wiedervereinigung kommen zwei renommierte Verlage aus der ehemaligen DDR ins Unternehmen der "Sportverlag Berlin" und der "Verlag Gesundheit". Größte Erfolge dieser Zeit sind die Memoiren Willy Brandts mit über 150.000 Hardcover-Exemplaren und das alljährliche Guinness Buch der Rekorde mit einer Spitzenauflage von fast einer halben Million Exemplaren.

Nach der Trennung von Herbert Fleissner und der Verlagsgruppe Langen-Müller-Herbig im Jahr 1995 und einer kurzzeitigen Neuorientierung unter dem neuen Geschäftsführer Wolfram Göbel erwirbt der Axel Springer Verlag 1998 zu 95 Prozent das "Münchner Verlagshaus Goethestraße" mit den Buchverlagen List, Claassen, Econ, Marion von Schroeder, Südwest, Bucher, Econ und List Taschenbuch. Die Neustrukturierung der Buchverlage wird eingeleitet. Christian Strasser, Chef des Verlagshauses Goethestraße, wird alleiniger Programm-Geschäftsführer sowohl der Münchner als auch der Berliner Verlagsgruppe. Teile des Berliner Hauses werden nach München verlagert, um die Synergie zu nutzen und die Marktposition zu stärken. Von Berlin aus arbeiten weiterhin der Propyläen Verlag, das Belletristik-Lektorat und die Herstellung. In die Umschichtungen der Verlagsgruppe involviert sich 2003 die Random-House Verlagsgruppe des Bertelsmann-Medienkonzerns. Kartellrechtiche Bestimmungen erzwingen das weitere fortlaufende Revirement der einzelnen Verlagsgruppen.

 

Literatur

Hans-Eugen Bühler/ Olaf Simons, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004), 208 S, ills. [Verlagswerbung]


Ende