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Darlegung des Verlags C. Bertelsmann zur Bedeutung seiner Kriegsbuchproduktion im Dritten Reich
Gütersloh, 9.4.1944

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ViereckTextedition Katharina Unger, 2004

 

 

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Das nachfolgende Dokument ist eine Stellungnahme Mohns zu den Ursachen der Gewinnsteigerung des Verlages, dessen politischen Schwierigkeiten sowie die Entwicklung des Verlages.

Das gesamte Dokument besteht aus insgesamt 5 sog. Anlagen. Die ersten 3 bestehen aus mehreren Seiten detaillierter Auflistung der Erscheinungen zwischen 1933-45. Es handelt sich hierbei um statistische Untersuchungen Mohns zum Anteil der Kriegsbücher an seiner Produktion (2% zwi. 1933-45).

Dabei beträgt der Prozentsatz der herausgebrachten Kriegsbücher einen verdächtig geringen Anteil. Dies ist mit sehr kritischen Augen zu lesen. Hier wurde gedreht und gefeilt, was nur so möglich war, um den Anschein eines nach wie vor sehr theologischen-christlichen und liberalen Verlagshauses zu wahren und nicht nur dies es wird sogar noch viel weitergegangen; in den 2 letzen Anlagen geht Heinrich Mohn dann genauer auf die politischen Schwierigkeiten des Verlages und die Gewinnsteigung während des Krieges ein. Das Verlagshaus Bertelsmann hat nicht nur in keinster Weise Subventionen erhalten weder von der NSDAP noch von irgendwelchen anderen Stellen, sondern soll vielmehr sogar auf das Schwerste bedrückt und verfolgt worden sein (Zitat aus dem Originaldokument, Anlage IV). Auch waren Herr Heinrich Mohn sowie sein Stellvertreter Herr Steinsiek Mitglieder der bekennenden Kirche, wie in Anlage IV glaubhaft versichert wird. Auch wird die enorme Gewinnsteigerung des Bertelsmann Verlages in den Kriegsjahren durch plausible Argumente, wie das gesteigerte Verlangen des Volkes nach anti-nationalsozialistischer Lektüre in den Kriegsjahren oder die effiziente Modernisierung und Rationalisierung der Druckerei und Buchbinderei mit den damit verbundenen Einsparungen erklärt.

 

 
 

Dokument

Hauptstaatsarchiv Düsseldorf

 

Literatur

Friedländer Saul et al. (eds.), Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002).

 

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cb
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C. BERTELSMANN VERLAG GÜTERSLOH

 

(21 a) GÜTERSLOH   .   FERNSPRECHER 155   .   POSTCHECKKONTO HANNOVER 130

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Die politischen Schwierigkeiten des Verlages und Ursachen der Gewinnsteigerung

Irgendwelche direkte der indirekte Subventionen oder andere Zuwendungen haben beide Verlage weder von der NSDAP, noch von einer ihrer Gliederungen, noch von irgendwelchen anderen Stellen erhalten.

Im Gegenteil sind beide Verlage, wie aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich ist, in ständig wachsendem Maße, in den ganzen 12 Jahren auf das Schwerste bedrückt und verfolgt und schließlich beide geschlossen worden.

Die Ursache hierfür liegt in der betont evangelisch-christlichen und liberalen Haltung der Verlage, sowie darin, dass sowohl ich wie meine Mitarbeiter diese Haltung auch im nationalsozialistischen Regime beibehalten und bekundet habe. Ich selbst hatte die Leitung der Gütersloher Gemeinde der Bekennenden Kirche Deutschlands übernommen, mein Stellvertreter, Herr Steinsiek, war im Presbyterium der Bekennenden Kirche als Kirchmeister. Auch die übrigen leitenden Herren waren Mitglieder der Bekennenden Kirche und standen weltanschaulich und politisch dem Nationalsozialismus ebenso fremd und ablehnend gegenüber wie ich.

Etwa seit 1934 wurden uns immer wieder aus politischen Gründen Bücher beschlagnahmt; auch fanden ständig Prüfungen und Untersuchungen und Verhöre durch die Gestapo seit dieser Zeit bei uns statt. Diese bezogen sich sowohl auf unsere politische Haltung als auch auf das Schrifttum der Verlage, und zwar nicht auf das theologische, sondern auf das schöngeistige.

Bis zum Kriege wurde schon ein starker Druck dahin ausgeübt, das theologische Schrifttum einzuschränken. Mit schweren Kämpfen gelang es uns trotzdem, die Umsätze zu halten und in den letzten beiden Jahren der nationalsozialistischen Scheinkonjunktur sogar sämtliche Umsätze zu steigern, weil die Kaufkraft des Volkes und zugleich das Interesse an nichtnationalsozialistischem Schrifttum stark zugenommen hatten.

Diese Reaktion des Volkes auf den Druck machte sich noch stärker im Krieg selbst bemerkbar. Als nämlich die meisten Verlage die Soldaten weiterhin mit nationalsozialistischen Schrifttum versorgen, haben mein Mitarbeiter und ich von Anfang des Krieges an eine große Erziehungsaufgabe darin gesehen, in billigen Feldausgaben wertvolles belletristisches Schrifttum alter und neuer Zeit herauszubringen und haben damit einen außerordentlichen Anklang gefunden und so große Erfolge gehabt, dass die nationalsozialistischen Behörden uns allmählich als ernste Gefahr ansahen und nunmehr den Kampf gegen die beiden Verlage wesentlich verschärften.

Zunächst wurden 1941 das gesamte theologische Schrifttum und alle christlichen Zeitschriften durch Entziehung von Papier stillgelegt. Auf dem theologischen Gebiet konnte ich trotzdem dem immer steigenden Bedürfnis des Volkes noch einige Zeit genügen, weil wir außerordentlich hohe Bestände an fertigen Büchern hatten, die ich nun allen kaufmännischen Erwägungen zum Trotz in großen Mengen auf den Markt warf.

1942/ 43 wurde unter dem Vorwand der allgemeinen Betriebseinschränkungen von Himmler persönlich und dem Propagandaministerium die Schließung meines Verlages C. Bertelsmann betrieben und verfügt. Unter schwierigsten Verhandlungen und unter Mitwirkung aller maßgeblichen anderen Behörden gelang es mir und meinen Mitarbeitern, insbesondere der Tatkraft meines Stellvertreters Steinsiek und meines Hauptlektors Dessin, diese Maßnahme wieder rückgängig zu machen, nachdem ich gezwungenermaßen die Erklärung abgabt, das christliche Schrifttum aus dem Verlag Bertelsmann restlos auf den Rufer-Verlag zu übertragen.

Im Oktober 1943 wurde trotzdem der Rufer-Verlag geschlossen.

Nachdem das Propagandaministerium den Verlag Bertelsmann nicht auf direktem Wege schließen konnte, leiteten die von Himmler geführten Behörden einen direkten Angriff in der Form ein, dass dem Verlag C. Bertelsmann Papierschiebungen vorgeworfen wurden. Im Verlaufe des Kampfes wurden in der Zeit von Dezember 1943 bis Anfang Februar 1944 vier meiner maßgeblichen Mitarbeiter verhaftet und bis August bzw. Dezember 1944 in Haft gehalten. Ich selbst entging der Haft nur, weil ich gesundheitlich nicht haftfähig war. Der Kampf wurde so scharf geführt, dass eines meiner Rechtsberater selbst wochenlang inhaftiert wurde und ein anderer nur infolge seines Alters der Haft entging und beiden die Verteidigung unter Androhung der Überführung in das KZ untersagt wurde. Das Verfahren endete, wie nicht anders zu erwarten war, mit einem völligen Fallenlassen der Anklage, nachdem aber zwischenzeitlich unter dem Vorwand der schwebenden schweren Anklagepunkte der Verlag C. Bertelsmann auch geschlossen war.

Hiermit waren beide Verlage wirtschaftlich und tatsächlich erledigt. In der Kampfzeit selbst waren die wirtschaftlichen Schäden nur indirekter Art, indem die sonst zu erwartende Entwicklung gehemmt war. In den drei ersten Kriegsjahren hat die Kampfhaltung dem Verlag durch seine grundsätzliche Ablehnung nationalsozialistischen Schrifttums sogar wirtschaftliche Vorteile gebracht, weil das Volk auf das von meinen Verlagen gebotene Schrifttum in der wachsenden Opposition gegen den Nationalsozialismus positiv reagierte. -

Die wesentliche Ursache der Gewinnsteigerung ergibt sich aus der obigen Darstellung des politischen Kampfes selbst, nämlich Umsatzsteigerung in den letzten beiden Vorkriegsjahren und der dann noch stärkeren Umsatzsteigerung der ersten drei Kriegsjahre. Die hierbei auftretenden Papierschwierigkeiten in den Kriegsjahren konnten wir dank guter Auslandsbeziehungen und unter Ausnutzung der anfänglichen Lücken in der Papierbewirtschaftung überwinden.

Im Einzelnen wirkten weitere Faktoren gewinnsteigernd aus:

  1. Die drei Sammlungen
  2. wurden aufgrund ihrer betont unpolitischen Haltung und ihres bedeutenden literarischen Niveaus in großen Mengen verlangt und von uns vertrieben. Über 20 Millionen Bücher dieser Sammlungen wurden im Kriege abgesetzt.

  3. Mit dem Anwachsen der Umsätze etwa 1936/37 stiegen die durchschnittlichen Auflagehöhen sehr beträchtlich, so dass der relative Nutzen je Buch wesentlich höher wurde.
  4. In den Jahren 1937/38 baute sich meine Druckerei und Buchbinderei um, rationalisierte die Maschinen und den technischen Betrieb und normalisierte meine Formate, wodurch sich erhebliche Unkosteneinschränkungen bei gleich bleibenden Verkaufspreisen ergaben.
  5. Die geschilderte Bekämpfung insbesondere der theologischen Literatur bewirkte, dass der Anteil der Romane an meinem Gesamtumsatz immer größer und der wissenschaftlichen Schriften von Jahr zu Jahr kleiner wurde. Hieraus ergab sich eine weitere Steigerung der Durchschnittsauflagen und dadurch eine neue Produktionsverbilligung.
  6. Im Kriege trat eine außerordentliche Verbilligung dadurch ein, dass fast meine ganzen Werbe- und Reklamekosten nicht mehr weiter ausgegeben werden konnten oder durften. Im Frieden machten diese Kosten durchschnittlich 17% des Umsatzes aus.
  7. Im Kriege verschlechterten sich Papierqualität und Ausstattung der Bücher durch die zwangsweise Materialverknappung. Die Preise werden aber für Bücher im Gegensatz zu den sonstigen Verbrauchsgütern grundsätzlich beibehalten, so dass sich weitere erhebliche Gewinnsteigerungen ergaben.
  8. Endlich wirkte sich gewinnerhöhend aus, dass nach Einschränkung der theologischen Verlagsproduktion, wie schon geschildert, die Bestände an diesen Büchern weitgehend ausverkauft wurden, dass im Kriege aber dann auch die übrigen Buchbestände vollständig abgesetzt wurden. Bücher, die in den Bilanzen niedrig bewertet waren, erzielten so ihren vollen zusätzlichen Erlös.

Alle vorstehenden Angaben bin ich natürlich in der Lage nachzuweisen, zu weiteren Auskünften stehe ich jederzeit zur Verfügung.

 

H. MOHN

Anlage V
9.4.47

cb
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C. BERTELSMANN VERLAG GÜTERSLOH

 

(21 a) GÜTERSLOH   .   FERNSPRECHER 155   .   POSTCHECKKONTO HANNOVER 130

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Über die Entwicklung des Verlages C. Bertelsmann

 

Der Verlag C. Bertelsmann wurde im Jahre 1835 von meinem Urgroßvater Carl Bertelsmann als Verlag für evangelisch-kirchliches Schrifttum und Schulbücher auf christlicher Grundlage gegründet. Im Laufe der späteren Jahrzehnte kamen Pädagogik und Jugendbücher hinzu, und auch schöngeistiges Schrifttum wurde verlegt. Nach Beendigung der Inflation Ende 1923 wurden unter tatkräftiger Mitarbeit meines Prokuristen und späteren Schwagers Steinsiek die bisherigen Verlagsgebiete weiter gepflegt. Vom Januar 1928 an entwickelte sich das erzählende Schrifttum im Anschluss an eine in meinem Verlag neu herausgebrachte Zeitschrift "Der christliche Erzähler" im Laufe der Jahre immer stärker mit guten Volksromanen, die sorgfältig geprüft wurden, ob sie sittlich einwandfrei waren und keine antichristlichen Tendenzen enthielten. Es wurde vom Jahre 1932 an die Herausgabe von Kriegserinnerungsbüchern ohne krieghetzerische Tendenzen mit vorgenommen. Der gesamte Schulbuchverlag wurde an die Firmen Velhagen & Klasing, Bielefeld und Crüwell, Dortmund verkauft, da ich kein Schrifttum verlegen wollte, auf dessen Inhalt ich keinerlei Einfluss ausüben konnte, auch wenn die Bücher etwa antichristliche Tendenzen enthielten. Theologisches und sonstiges kirchliches Schrifttum wurde bis zum Jahre 1941 stetig weiter entwickelt. Allerdings wurde bis dahin eine ganze Reihe von theologischen und kirchlichen Schriften durch die Gestapo beschlagnahmt.

Mit Ausbruch des Krieges brachte ich gutes unterhaltendes und erzählendes Schrifttum für die Wehrmachtsangehörigen in großem Umfang heraus, das sorgfältig danach ausgesucht wurde, ob es keinerlei politische und antichristliche Tendenzen enthielt. Nationalsozialistisches Schrifttum habe ich niemals verlegt.

Von Anfang 1941 an wurde christliches Schrifttum nicht mehr genehmigt. Auch meine christlichen Blätter mit sehr großen Auflagen wurden auf Anordnung der Reichspressekammer stillgelegt. Im Sommer 1941 wurde meine Jugendreihe "Spannende Geschichten" gleichfalls stillgelegt. Einige Zeit vorher hatte die Hj.-Führung die Schriftleitung der "Sp. Geschichten" übernehmen wollen. Es wurde von mir abgelehnt, weil ich erwartete, dass ich dann Hefte herausbringen müsste, die gegen meine innere Überzeugung waren.

Daraufhin gründete die Reichsjugendführung eine eigene Heftreihe "Deutsche Jugendbücherei", die genau den gleichen Umfang, Preis, Ausstattung, Format usw. hatte wie meine Heftreihe. Als die Jugendbücherei eine genügend große Auflage hatte, wurde auf Anordnung des Propagandaministeriums meine Heftreihe stillgelegt.

Im Jahre 1939 erwarb ich die Firma "Der Rufer" Evangelischer Verlag Hermann Werner Nachf. von dem Stadtverein für Innere Mission in Bielefeld. Als im Frühjahr 1943 der Verlag Bertelsmann geschlossen werden sollte, wurde diese Anordnung nach monatelangen Kämpfen unter der Bedingung zurückgezogen, dass das christliche Schrifttum aus dem Verlag Bertelsmann in den Rufer-Verlag überführt wurde. Im Herbst 1943 wurde der Rufer-Verlag geschlossen, und es begannen dann die direkten Angriffe gegen meinen Verlag und gegen mich selbst und gegen vier leitende Angestellte meines Verlages. Die vier Herren Steinsiek, Wixforth, Beimdiek und Banzhab wurden im Dezember 1943 bzw. 1944 verhaftet. Ich selbst entging der Verhaftung nur wegen meines schlechten Gesundheitszustandes. Es waren mir aber im Kampf für die Erhaltung meiner Firma die Hände dadurch gebunden, dass man mir erklärte, es handele sich um ein Geheimverfahren, und ich selbst würde bei Nichteinhaltung des Schweigegebotes ins Konzentrationslager kommen. Nachdem im August 1944 drei Herren aus der Haft entlassen worden waren, wurde gleichzeitig die endgültige Schließung des Verlages Bertelsmann vom Propagandaministerium verfügt. Meine Druckerei und Buchbinderei sollten das gleiche Schicksal erleiden, aber mit Rücksicht auf die im Herbst 1944 durch Bombenangriffe eingetretene Vernichtung von größeren Druckereien der näheren und weiteren Umgebung wurde die Weiterarbeit meines technischen Betriebes gestattet.

Ich bin seit der Gründung Leiter der Bekennenden Gemeinde Gütersloh. Der Partei gehörte ich nicht an, ebenso auch nicht der Arbeitsfront.

H. MOHN


Ende