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Spannende Geschichten
Jugendheftserie, C. Bertelsmann Gütersloh

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Viereck Olaf Simons

Das große Geschäft kam mit der Kriegsberichterstattung. Die Jahresgesamtauflagen der Jugendheftserie Spanende Geschichten 1927-1943

 

 

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1926-1934 — Phase 1: Gegen Western- und Krimihefte

1926 im Verlag C. Bertelsmann nach dem Modell der Kinderheftserie Schneeflocken gegründete Jugendheftserie für die Zielgruppe der 10- bis 15jährigen. Format A5, Umfang 32 Seiten, illustriert mit farbigen Umschlägen, zweitvermarktet auch in gebundenen Ausgaben, die jeweils drei Hefte zusammenbrachten. 32 einzelne Hefte bis zur Umgestaltung der Serie 1935. Ursprünglich gedacht als Antwort auf die als "Schund" verpönten Western- und Krimihefte anderer Verlage profilierte sich die Serie in ihrer ersten Phase von 1926 bis 1934 bei geringem Erfolg mit der Herausgabe überkommenen Erzählguts aus Geschichte, Sagenwelt und didaktischem bis erbaulichem Erzählgut für die Jugend. Hauff (Die Geschichte von Kalif Storch) und Hebbel (Eine Nacht im Jägerhause) erschienen hier 1926, Ilse Möckel bot 1927 Ein Gotteswunder, Eggerton Young eine Christliche Neujahrsfeier während Dorothea Theopold Aus der Franzosenzeit berichtete und Mina Rüdiger mit Der Kampf ums Bergdorfer Schloß eine "Eine Geschichte aus vergangenen Tagen" präsentierte.

Die Serie ging mäßg und fand 1933/34 eine Zäsur mit einem Jahrgang ohne weitere Auflage und einem weiteren Jahrgang, in dem noch einmal vier Hefte an die bisherige Zählung anknüften und mit von Siegroths Reitergeneral von Seydlitz und Fritz Daums Auf dem Ritt durch Kurdistan historischere und abenteuerlichere Stoffe ins Rampenlicht stellte.

 

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1935-1943 — Phase 2: betreut von Johannes Banzhaf Kriegs- und Abenteuerhefte

Im Sommer 1934 brachte Bertelsmann Werner von Langsdorffs Flieger am Feind heraus — eine Sammlung von Fliegerberichten aus dem Ersten Weltkrieg. Das Buch wurde im Weihnachtsgeschäft 1934 speziel für das Zielpublikum Hitlerjungend beworben — Baldur von Schirach stellte sich in der Werbung hinter den Titel. Der gute Absatz des Buches inspirierte im Verlag nicht nur dazu, ein spezielles Kriegsbuchsortiment mit Absatz an erwachsene und jugendliche Leser männlichen Geschlechts aufzubauen. Unter Johannes Banzhaf wurde zudem die alte Jugendheftserie umgestaltet; die gesamte Numerierung wurde dabei neubelegt. Der Erste Weltkrieg war von nun an das zentrale Thema. Autoren, die sich auf dem Gebiet profiliert hatten, boten Auskoppelungen aus ihren längeren Titeln: Werner Beumelburg war mit dem Heft Douaumont: Heldenkampf um Verdun dabei wie Paul Coelestin Ettighoffer mit einem Heft Deutsche Tanks fahren in die Hölle. Arno Dohm bot eine Auskoppelung aus seinem Buch zur Skagerrakschlacht und der Verleger Heinrich Mohn versuchte nicht zueletzt persönlich, Hans Grimm für ein Heft aus Deutschlands Zeit als Kolonialherr zu gewinnen — ohne Erfolg indes. Die Autoren erhielten 500 RM für die 32 Seiten, die im Verlauf in Hunderttausender-Auflagen gehen konnten. Die Serie bot etwas Abechslung mit einigen Heften exotischer Sujets: Johann Konrad Wilhelm Löhe, bot ein Urwaldabenteuer mit Notlandung in der grünen Hölle, Fritz Daum war mit Trommeln auf Neuguinea ein weiteres Mal im Geschäft. Bestimmend blieb jedoch der Erste Weltkrieg mit Berichten aus Kampfhandlungen aller Waffengattungen, in denen Todesmut und Kameradschaft gefeiert wurden, und war der Erste Weltkrieg auch verloren gegangen, die Tugenden der Soldaten Raum zur Identifikation boten. Die Serie paßte sich sorgsam in die Wiederaufrüstung ein. Das Deutsche Reich hatte, so ein öfter durchdringender Tenor, den Krieg nicht zuletzt verloren, da die Heeresführung die Rüstung nicht dort betrieb, wo der Krieg am Ende entschieden wurde — etwa im Panzerbau.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs erschienen in der Serie 65 Hefte. Im Vorkriegsjahr 1938 hatten diese Hefte einen Anteil von annähernd 10% am Herstellungsvolumen.

Herstellungskosten 1938

Die Produktsparten in ihren Anteilen an den Herstellungskosten 1938. Vor Beginn des Krieges ist es — zieht man die Produktion Spannender Geschichten und die Buchproduktion zusammen, so summiert sich das Volumen auf fast 75% — vor allem Kriegsliteratur, die der Verlag zur Auslieferung bringt.

 

Einen Monat nach dem Überfall auf Polen legte Bertelsmann mit Rudolf Schauffs Flieger über Polen das erste Heft vor, das in die aktuelle Kriegsberichterstattung einstieg. Die Publikation erregte höchsten Unmut im Propagandaministerium, da der Verlag sie nicht der militärischen Vorzensur vorlegte, die gewährleisten mußte, daß über die Kriegsberichterstattung keine militärisch relevanten Informationen in die Hand des Feindes gelangten. Bertelsmann wurde abgemahnt, druckte das erfolgreiche Heft in neuen Auflagen nach, ein offizieles Verbot des Heftes erging. Das Unternehmen ließ sich im Verlauf auf eine kooperative Interaktion mit der Militärzensur im Propagandaministerium ein. Diese verhalf im besonderen Fall dem Verlag zu Kontakten mit Autoren, die die Serie beliefern konnten.

 
1939 1940 1940 1941
 

Die Hefte boten nun den Krieg als männliches Abenteuer und als Feld deutscher, durch Einsatz und technologischen Vorsprung bedingter Erfolge. Abfällige Bemerkungen über die Gegner, die Deutschland letztlich spielend ausschaltete, garnierten die Abenteuerberichte. Die Hefte, deren Spektrum bis zur Nummer 126 erweitert wurde, verkauften sich mit dem laufenden Krieg in Millionenauflagen — der Rekord liegt im Jahr 1941 mit 6,7 Millionen Exemplaren.

Zweifelhaft sind die überlieferten Aussagen zum vorläufigen Ende der Serie im Jahr 1943. Heinrich Mohn erklärte am 9.4.1947 gegenüber den britischen Behörden, die seinen Verlag als Zeitschriftenverlag wieder zulassen sollten:

Im Sommer 1941 wurde meine Jugendreihe "Spannende Geschichten" gleichfalls stillgelegt. Einige Zeit vorher hatte die Hj.-Führung die Schriftleitung der "Sp. Geschichten" übernehmen wollen. Es wurde von mir abgelehnt, weil ich erwartete, dass ich dann Hefte herausbringen müsste, die gegen meine innere Überzeugung waren.
 
Daraufhin gründete die Reichsjugendführung eine eigene Heftreihe "Deutsche Jugendbücherei", die genau den gleichen Umfang, Preis, Ausstattung, Format usw. hatte wie meine Heftreihe. Als die Jugendbücherei eine genügend große Auflage hatte, wurde auf Anordnung des Propagandaministeriums meine Heftreihe stillgelegt.

Weder war die Heftserie Spannende Geschichten als pazifistisches Organ mißliebig geworden, wie Mohn im selben Zusammenhang unterstellte — die Gutachten der Militärzensur wie des NS-Lehrerbundes lobten den Verlag wiederholt ob der regimetreuen, den Krieg unterstützenden Arbeit. Noch stimmen die einzelnen Aussagen: Die Serie endet in ihrer Folge 1942, einige Hefte wurden 1943 noch einmal nachgelegt. Die Konkurrenz des Steiniger Verlags erschien dessen ungeachtet bereits seit 1939. Alles sieht am ehesten danach aus, als sei die Serie bei Bertelsmann 1943 im Rahmen der Papierkontingentierung ausgelaufen — nur noch Projekte, die an das Heer und große NS.-Organisationen verkauft wurden, hatte nach 1942 größere Chancen an Papierkontingente zu kommen. 1947, während für den Zeitschriftenverlag der Antrag auf Lizensierung lief, lag dem Unternehmen indes wie bereits im September 1945 vor der Wiederzulassung als Buchverlag alles daran, die Serie im Nachhinein in ein positives Licht zu stellen — sie aus dem Kontext der Kriegsverherrlichung herauszulösen und zu einem vom Regime behinderten und am Ende verboteneen Verlagsobjekt zu machen.

 

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1948-1952 — Phase 3: Wiederanfang nach dem Krieg im alten Gewand

Als der Verlag 1948 die Serie neubegründete, griff er unter anderem auf Titel zurück, die bereits in der letzten Phase, 1935-1943 liefen. Die Hefte, die in exotische Gefilde führten, eigneten sich hier. Neue Hefte kamen im alten Design hinzu.

 

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1953 — Phase 4: Aus der Heftserie wird eine Jugendzeitschrift.

Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde die Heftserie neu gestaltet. Ihr Dachverlag war von nun an der Rufer-Verlag, den Mohn 1939 erworben hatte, und der der theologischen Produktion vorbehalten blieb. Die Sujets führten von in fremde Länder — Bildung aus Geographie und Völkerkunde wurde mit den Heften vermittelt, die Autoren gewannen Profil und konnten mit Photos abgebildet werden. Werbung kam hinzu. Die Heftserie wandelte sich zur Jugendzeitschrift mit einer zu den Erzählungen hinzukommenden Kommunikation mit dem Publikum.

 

Literatur

"Spannende Geschichten: Eine Heftreihe im Zeichen der Militarisierung", in: Saul Friedländer, Norbert Frei, Reinhard Wittmann, Trutz Rendtorff u.a., Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002), S 252-263.


Ende