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C. Bertelsmann Verlag
Gütersloh

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Viereck Olaf Simons

 

 

1. Innovation im provinziellen Geschäft 1921-1928  
2. Heimat- und Frauenromane 1928-1950  
3. Aufrüstung und Ausbau 1934-1939  
4. Großverlag im Krieg 1939-1942  
5. Politisch suspekt 1934-1944  
6. Unter Korruptionsverdacht 1943-1945  
7. Neubeginn 1945-1960  
    Literatur
Verlagshaus C. Bertelsmann, Teilansicht: Druckerei und Bürogebäude, 1939

Verlag C. Bertelsmann, Druckerei und Bürogebäude nach 1939, Bertelsmann-Archiv

 

Vorwort

Unter allen deutschsprachigen Verlagen machte in den Jahren 1900 bis 1960 der Verlag Carl Bertelsmann vielleicht die überraschendste Karriere. Das provinzinzielle Familienunternehmen verfügte zu Beginn des Jahrhunderts über keine bedeutenden Autoren und es suchte am wenigsten Kontakt zum intellektuellen Leben der Weimarer Republik. Heinrich Mohn, der die Firmenleitung 1921 übernahm, korrespondierte selbst mit den Theologen, Pfarrern und Lehrern, die in seinem Verlag wissenschaftliche Reihen und Zeitschriften, vor allem aber Ware des Gemeindebedarfs und ein kleines Spektrum an Schulbüchern herausbrachten. Die, mit denen er korrespondierte, gestalteten sein Programm. Es lag nicht nahe, daß dieser Verlag 1928 in das Geschäft mit Romanen einstieg, geschweige denn, daß das Haus mit seinen Wurzeln im Protestantismus sich nach 1935 größere Sympathien der Wehrmacht und des Propagandaministeriums erwarb.
 

 

1. Innovation im provinziellen Geschäft 1921-1928
2. Heimat- und Frauenromane 1928-1950
3. Aufrüstung und Ausbau 1934-1939
4. Großverlag im Krieg 1939-1942
Bertelsmann nutzte tatsächlich gerade das Abseits der Provinz und das Wissen um das kirchentreue Publikum auf dem Land für die Karriere auf dem Massenmarkt. Nicht ein ambitionierter Lektor, sondern Angestellte aus dem Vertrieb begründeten die neue Produktion. Heinrich Mohn ließ ihnen letztlich dieselben Freiheiten, die er seinen theologischen Reihen- und Zeitschriftenherausgebern ließ. Mit der Aussicht, die Firma vollständig umzugestalten, suchten sie, eine fast beliebige Produktion an den Kunden zu bringen, den sie aus dem Umland kannten: den Kunden, der mutmaßlich nie eine Buchhandlung betreten hatte. Das belletristische Programm, mit dem sich der Verlag 1928 auf den Markt wagte, griff nicht — ganz anders das erste Kriegsbuch, das man 1934 riskierte. Bertelsmann erreichte wenig später mit Titeln, die zuvor im obskuren rechtsnationalen Verlags-Spektrum erschienen waren, den Leser auf dem flachen Land und die Jugend in den NS.-Organisationen. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stand das Unternehmen dank der neuen Produktion unvermittelt mit Kontakten in die Wehrmacht ausgestattet dar. Zudem hatte es mit Will Vesper und Hans Grimm Autoren gewonnen, die es im Kulturbetrieb des neuen Staates vertraten. Mit der Produktion von Büchern für Soldaten und mit aktueller Kriegsberichterstattung stieg der Verlag nun zum härtesten Rivalen des Zentralverlags der NSDAP auf.
 

 

5. Politisch suspekt 1934-1944
6. Unter Korruptionsverdacht 1943-1945
Auseinandersetzungen mit Zensurbehörden gehörten, wie sich bald nach 1934 herausstellte, zum Alltag des Verlagsgeschäftes im Dritten Reich. Bertelsmann hatte Feinde im Medienkonzern der NSDAP und genoß Protektion aus der Wehrmacht und dem Propagandaministerium. In Schwierigkeiten geriet das Unternehmen 1943 und 1944 nicht mehr als theologischer Kleinverlag, sondern als Verlag, der gemeinsam mit den meisten noch verbleibenden Konkurrenten in einer Grauzone der Legalität arbeitete, um staatliche Aufträge, vor allem aber um Rohstoffe — Papier und Pappe — zu bekommen. 1943 schlitterte das Haus an der Schließung aus kriegswirtschaftlichen Gründen vorbei, 1944 gelang dem Unternehmen dies nicht mehr: Bertelsmann befand sich seit der Jahreswende 1943/44 im Fadenkreuz von Korruptionsermittlungen gegen Verlage, Zwischenhändler und Wehrmachtsstellen, die Bücher in großen Kontingenten kauften. Die führenden Mitarbeiter des Unternehmens wurden verhaftet, die Materialvorräte beschlagnahmt. Die Firma selbst wurde am 26. August 1944 geschlossen (ohne daß dies die Stillegung der Produktion nach sich zog). Der Prozeß, der 1944 noch gegen das Unternehmen geplant wurde, kam Ende 1944, Anfang 1945 nicht mehr zustande. Die zuständige Staatsanwaltschaft des Bielefelder Sondergerichts empfahl den Wirtschaftsbehörden und dem Verlag ein Arrangement, als längst klar war, daß es nicht einmal zu einer solchen einvernehmlichen Einigung noch kommen würde. Das Unternehmen erhielt die beschlagnahmten Materialsvorräte zurück und kam mit diesen, doch bei einem späten Bombenangriff lahmgelegten Produktionsanlagen aus dem Dritten Reich heraus.
 

 

7. Neubeginn 1945-1960
Im September 1945 begann die Entnazifizierung der Firmenmitarbeiter. Daß diese im vorletzten Kriegsjahr noch in Haft saßen, mußte die allierten Behörden nun für das Unternehmen einnehmen — ein provinzieller Verlag des Widerstands und der Bekennenden Kirche war hier, so die ersten Darstellungen, von den Natonalsozialisten verfolgt und am Ende noch geschlossen worden. Das Unternehmen mußte sich 1946 von allen NSDAP-Mitgliedern in der Firmenspitze trennen, erhielt jedoch letztlich problemlos die Lizenz als Buchverlag. Eigene Probleme handelte man sich bei der Erlangung der Zeitschriftenlizenz ein. Heinrich Mohn mußte in ihrer Folge 1947 zurücktreten. Auf der anderen Seite hatte man sich im Dritten Reich vorübergehend als führendes Veragshaus auf dem Massenmarkt bewegt — man konnte dies ein zweites Mal versuchen. Die Kunden auf dem flachen Land warteten auf neue Bücher. Vertriebsstrukturen, die man Mitte der dreißiger Jahre erprobte — damals in einer Kooperation mit dem Reisebuchhandel — gaben nun die Ideen zum Aufbau des Bertelsmann-Leserings. Das Geschäft war jetzt alerdings mit internationaler Ware zu machen — ein Geschäft, das dem Gütersloher Unternehmen wenig später den internationalen Buchmarkt öffnete und den Weg zum weltweit agierenden Medienkonzern ebnete. Mit dem Aufbau des Bertelsmann Leserings begann 1950 der Aufstieg zum größten Medienkonzern der Bundesrepublik Deutschland — eine Karriere, bei der man in Gütersloh letztlich sowohl auf praktische Erfahrungen, die man in den dreißiger Jahren gemacht hatte, wie auf Mitarbeiter, die hier ihre ersten Erfahrungen gesammelt hatten, zurückgreifen konnte.

 

   
 
 
 
 
 
1936 — nicht 1956:
Schaufensterplakat von Siegfried Kortemeier für Bertelsmann-Volksausgaben
  Schaufensterplakat für Bertelsmann Volksausgaben von Siegfried Kortemeier, 1936
 

Literatur

Mohn, Heinrich, Carl Bertelsmann. Eine Verlagsgründung vor hundert Jahren 1835-1935 (Gütersloh: C. Bertelsmann, 1935).

Kempowski, Walter/ Langenbucher, Wolfgang u. a., 1835 — 1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten (München: C. Bertelsmann, 1985).

Friedländer, Saul/ Frei, Norbert/ Rendtorff, Trutz/ Wittmann, Reinhard u.a., Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002).

Bühler, Hans-Eugen/ Simons, Olaf, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004), 208 S, ills. [Verlagswerbung]

Schuler, Thomas, Die Mohns. Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern. Die Familie hinter Bertelsmann (Frankfurt/ New York: Campus, 2004).


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