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Verlag Rudolf Mosse

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Geschichte
Literatur
Verlagshaus Rudolf Mosse, Berlin, 1923 (Foto: Kunstbibliothek, Berlin)

Verlagshaus Rudolf Mosse, Berlin, 1923 (Foto: Kunstbibliothek, Berlin)
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Geschichte

Neben Ullstein und Scherl, respektive ab 1916 Scherl/Hugenberg einer der drei großen in Berlin ansässigen Medienkonzerne, gemeinsam mit Ullstein als Unternehmen im liberalen Spektrum dabei frühzeitig eines der Haßobjekte antisemitischer Propaganda — groß geworden in den 1870ern über das Annoncengeschäft und dessen fortschreitender Integration des Zeitungsmarktes.

1867 gründet Rudolf Mosse in der Friedrichstraße 60/ Leipziger Straße ein "Annoncen-Büro". Das Unternehmen aquiriert Anzeigen, die es in Zeitungen und Journalen unterbringt und bezieht dafür einen Provisionen seitens der Organe, deren Anzeigenaquise es vereinfacht. Die Firma endet in einem Konkurs, dem später das Gerücht folgt, er habe tatsächlich die finanzielle Grundsteinlegung des Unternehmens bedeutet. Mosse verlegt seine Firmenadresse 1870 in die Neue Friedrichstraße 66 (heute Littenstraße) und gründete dort 1871 ein Druck- und Verlagshaus. Auf zwei Optimierungsmöglichkeiten setzt er im Neueanfang des Annoncengeschäftes 1870/71: Er pachtet die Werbungsteile einzelner Periodika — des Kladderadatsch und der Fliegenden Blätter — um sie komplett mit Anzeigen seiner Vermittlung füllen zu können und damit das Geschäft effizient zu monoplosieren, er baut zudem eigene Zeitungen auf, die ihre Finanzierung weitgehend über den Anzeigenteil bestreiten. Am 1.1.1872 gründet Mosse das Berliner Tageblatt — anfänglich als Anzeigenblatt der Geschäftswelt, bald eine eigenständige Zeitung. Neugründungen und Erwerbungen erweitern den Konzern: 1881 das Deutsche Reichsblatt, 1889 die Berliner Morgen-Zeitung, 1890 die Allgemeine Zeitung des Judentums, 1904 Berliner Volks-Zeitung, zudem die Gießerei-Zeitung. Die Anoncenexpedition wächst ihrerseits bis 1892 zu einem Netz von 127 Filialen in Städten wie Prag, Wien, Zürich und London.

Die Neugründungen auf dem Zeitungssektor führen in den 1880ern und 1890ern in den großen Zeitungskrieg zwischen Mosse, Ullstein und Scherl. Redakteure seines Berliner Tageblatts gründen nach redaktionellen Unstimmigkeiten das Neue Berliner Tageblatt, das von Ullstein in wirtschaftlichen Schieflage aufgefangen wird, und zum Abendblatt gewandelt unter dem Namen Deutsche Union noch eine kurze Zeit fortbesteht. Mosses Berliner Morgenzeitung geplant als ein Gegengewicht zu Ullsteins Berliner Abendpost setzt Ullstein wiederum am 20.9.1898 die Berliner Morgenpost entgegen. Scherl mischt sich mit eigenen Blättern in den Kampf um Marktanteile, bevor Alfred Hugenberg mit Industriekapital sein Unternehmen 1916 auffängt und im folgenden Jahr mit dem Aufbau einer eigenen Anzeigenexpedition in den Stand bringt, Mosse das Gegegengewicht — nicht zuletzt ein politisches Gegengewicht aus dem rechten Parteienspektrum — halten zu können.

Die weltanschauliche Linie des Unternehmens wird insbesondere von Mosses Cousin Theodor Wolff geprägt, der ab 1906 als Chefredakteur des Berliner Tageblatts fungiert und von hier aus eine dezidiert demokratische, während des Ersten Weltkriegs auf Verständigung mit Frankreich ausgerichtete und während der zwanziger Jahre auf eine Intgration der Juden abzielende Politik verfolgt.

Mosses Imperium wird nach 1933 von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und zerschlagen. Das 8 Uhr-Abendblatt, an dem Mosse seit 1928 die Anteilsmehrheit hat, wird im Februar 1934 der Nebenausgabe des Blattes, der National-Zeitung untergliedert und mit diesr am 30.9.1938 eingestellt. Das Berliner Tageblatt besteht mit einer Berlinausgabe und einer Reichsausgabe noch bis zum 31.1.1939 fort. Die Berliner Morgen-Zeitung wird am 15.2.1939 eingestellt. Die Berliner Volks-Zeitung endet am 30.9.1944 in der Zusammenlegung mit der Berliner Morgenpost, die vordem bei Ullstein erschien und seit 1934 dem Zentralverlag der NSDAP untersteht, unter dessen Ägide aus Ullstein der Deutsche Verlag wurde.

Postkarte von den Zerstörungen des Mosseschen Firmengebäudes in den Straßenkämpfen 1918/1919Eine eigene Geschichte haben am Ende die Firmengebäude. Das expandierende Mutterhaus findet 1873 Platz auf dem Gelände Jerusalemer Straße 48, das Mosse durch Eduard Titz umbauen läßt. Nach dem Ankauf anliegender Grundstücke betraut er in den Jahren 1900-1903 das Architekturbüro Cremer & Wolffenstein (Wilhelm Cremer und Richard Wolffenstein) mit dem Neubau des Verlagshauses Jerusalemer Straße 46–49/Schützenstraße 18–25 — ein Gebäude in Sandstein mit neo-barocken Stilelementen und Jugendstil-Anklängen ist das Ergebnis. Das Gebäude wird in den Revolutionswirren Ende des Ersten Weltkriegs stark beschädigt und unter Mosses Schwiegersohn und Nachfolger Hans Lachmann-Mosse (1885–1944) in den Jahren von 1920 bis 1923 von Erich Mendelsohn (1887–1953) "überkront", aufgebrochen, abgerundet und aufgestockt — der Schritt vom Bau der Jahrhundertwende in die neue klassische Moderne. (Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wird das Gebäude zu DDR-Zeiten stark vereinfacht wiederaufgebaut und nach 1990 restauriert.)


 

 

Literatur

Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Annoncen-Expedition Rudolf Mosse (Berlin: R. Mosse, 1916).

Zeitungen für die Demokratie. Der Verleger Rudolf Mosse und sein Chefredakteur Theodor Wolff, in: Hermann Haarmann (Hrsg.): Berliner Profile. Berlin 1993, S. 141-160.

Kraus, Elisabeth, Die Familie Mosse (München: C. H. Beck, München 1999), 793 S.

Sösemann, Bernd, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung (Econ-Ullstein-List Verlag, 2000).


Ende