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Berthoud, Friedrich Theodor
12.2.1900 - 8.8.1970

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Viereck Olaf Simons, 2004

Geboren am 12.2.1900 in Ebersdorf/Thüringen als Sohn des Schweizer Pfarrers Jean Berthoud und der Elisabeth, geb. Hohulin. Volksschule in Ebersdorf, Oberrealschule in Bautzen mit Abschluß des Notabiturs 1918. Zu Ende des Ersten Weltkriegs für ein halbes Jahr im Rahmen des "vaterländischen Hilfsdienstes" Hilfsschreiber auf der Amthauptmannschaft Bautzen. Vom Januar 1919 bis zum Juli 1922 buchhändlerische Lehre in der Wellerschen Buchhandlung, Bautzen, danach in verschiedenen Buchhandlungen tätig. Ab dem 1.7.1924 Verlagsgehilfe bei C. Bertelsmann in Gütersloh, anfänglich in der Auslieferung beschäftigt. Vor 1933 Mitglied im Christlichen Volksdienst. Im Mai 1939 von Heinrich Mohn als Leiter des Rufer-Verlags eingesetzt (siehe Schreiben Mohn an Berthoud vom 31.5.1939 im Bertelsmann-Archiv I.2/2090)- der für die Geschäftsführung vorgesehene Sohn ist noch zu jung, um die Zweigfirma führen zu können, Berthoud läßt sich versichern, daß er jederzeit zu Bertelsmann zurück kann. Wehrdienstuntauglich wird er während des Zweiten Weltkriegs einer der tragenden Mitarbeiter im Unternehmen - er faßt seine Prosition im Unternehmen im Verhör vom 2.2.1944 als "1. Lektor und Leiter des Lektorensekretariats" und "2. Leiter der Korrespondenzabteilung hinsichtlich des Verkehrs mit dem Buchhandel." 1.1.1942 Eintritt in die NSDAP (Mitgliedsnummer 8 992 068). 1.8.1943 Prokura mit einem Gehalt von 650 RM brutto und einer Gewinnbeteiligung von 1% des Ladenpreises aller honorarfreien Werke. Seit dem 1.7.1943 mit einer Einlage von 15.000 RM stiller Teilhaber der Versandbuchhandlung Honig & Co., die das Unternehmen erwarb, um Zwischenhandelsgewinne aus Buchverkäüfen an öffentliche Stellen in der Firma zu behalten.

Im Rahmen der Ermittlungen gegen Lackas und Bertelsmann am 2.2.1944 in Gütersloh verhört, jedoch anders als seine Kollegen Beimdiek, Steinsiek und Wixforth nur vorübergehend festgesetzt, da er den Ermittlern glaubhaft versichern kann, daß seine Aufgaben primär im Lektorat lagen und ihn nicht in Kontakt zu den dubiosen Geschäften seiner Kollege brachten. Berthoud organisiert wenig später - seine Kollegen werden am 6.3.1944 nach Berlin verbracht, um dort im Prozeß gegen Matthias Lackas zur Verfügung zu stehen - die Bertelsmann-interne Front gegen Johannes Banzhaf, der bereits im Oktober 1943 aus der Firma ausgeschieden war. Mit einer Serie von Persönlichkeitsgutachten, zu denen er Stellungnahmen der Sekretärinnen sammelt, versucht er den Ermittlern nahezulegen, daß die Verantwortung für die zwielichtig verlaufenen Geschäfte im Unternehmen allein bei Banzhaf lag, der vor allem auf eigenen Profit bedacht gehandelt habe, und sich damit frühzeitig das Mißtrauen seiner Kollegen erworben habe.

In seinen Entnazifizierungsunterlagen gibt Berthoud sich am 20.9.1945 als geborenen Schweizer mit langer Antipahie gegen den Nationalsozialismus und guten Beziehungen zu verfolgten Juden aus. Seinem Vater soll wiederholt die Ausweisung gedroht haben, er selbst sei nur zugunsten des Unternehmens in die NSDAP eingetreten. Seine kurzfristige Inhaftierung zeuge von seiner kritischen Position gegenüber dem Nationalsozialismus. Als ehemaliges NSDAP-Mitglied befindet er sich am 27.2.1946 gleichwohl unter jenen, die in einer konzertierten Aktion den Verlag offiziell verlassen - ohne daß sein Kündigungsschreiben diesem Grund Rechnung trägt. Eine "kapitalmäßige" Beteiligung an einer anderen Firma, bewege ihn zur Kündigung.

Berthoud leitete in der Folge gemeinsam mit Johannes Banzhaf den Bertelsmann letztlich sehr nahestehenden Verlag Banzhaf und Berthoud; er starb am 8.8.1970.

 

Literatur

Friedländer Saul et al. (eds.), Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002).


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