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Roeingh, Rolf Hubertus
1890?-?

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Viereck Hans-Eugen Bühler / Olaf Simons, 2003

Nach Aussage im Prozeß gegen Matthias Lackas vom 17.3.1944, zu diesem Zeitpunkt 54, katholisch. Gründete 1913 den Deutschen Archiv Verlag, ein Unternehmen, das in den dreißiger und vierziger Jahren einen Schwerpunkt in Reiterliteratur ausbildete.

Lernt Roeingh 1937 dienstlich Heinrich Schepelmann kennen, der mit dem Krieg Großbesteller von Büchern für die Luftwaffe wird. Er unternimmt mit diesem nach der Besetzung Frankreichs mehrere gemeiname Fahrten nach Paris und in die besetzten Westgebiete, die nicht zuletzt dem Aufbau eines Lagers für Mangelwaren (Alkohol, Seife, Damenstrümpfe, Zigarren, Zigaretten) in den Räumen des Archiv-Verlags dienen, die nahe der Diensstelle Schepelmanns liegen. Roeingh gründet in Paris unter dem Schutz des RLM die Archivbuchhandlung der Luftwaffe später umbenannt in Archiv Verlag, dann Archiv-Editions, mit einem Geschäft am Boulevard des Capucines. Das Unternehmen wird von Roeings Freundin Madeleine Normand geführt. Die Auslandsbestellungen des Stammhauses Deutscher Archiv-Verlag laufen offiziell über die Auslandsabteilungen von Koehler und Volckmar. Roeingh bezieht für seine Buchhandlung in Paris, die auch Franzosen beliefert, zudem Bücher über die Messageries Hachette, die ihm eigene Kreditlinien einräumt, und die wiederum unter dem Schutz des Deutschen Verlags steht und damit in Konkurrenz zur Zentrale der Frontbuchhandlungen in Paris agiert.

1941: Erwerb der Buchhandlung Makiol, Berlin - vermutlich, um diese als Zwischenhandlshaus für Buchverkäufe des Verlags an Wehrmachtsstellen einzusetzen. Die geschäftliche Beziehung seines Unternehmens zur Luftwaffe dürfte 1941 jedoch abgeflaut sein, nachdem es Matthias Lackas von der Buchhandlung Arnold gelang, die zentrale Position des Zwischenhändlers zu gewinnen.

Lackas überwirft sich Anfang Dezember 1942 mit seinen Vorgesetzten im Deutschen Verlag. Auf Initiative Schepelmanns hin wechselt er Mitte Dezember zum Deutschen Archiv-Verlag. Roeingh stellt ihn und seinen engsten Mitarbeiter Karl Heinz Moldt zum 1.1.1943 unter einer großzügigen Provisionsregelung ein, ist jedoch ab dem Frühjahr 1943, soweit sich ermitteln läßt, kaum noch in Berlin und mittlerweile vor allem damit beschäftigt, Unternehmenswerte in seine Pariser Dependance zu transferieren, was Lackas freie Hand gibt, weit profitablere Geschäfte mit dem Heer am Archiv-Verlag vorbei zu tätigen und ab Mitte 1943 ganz offen dem Archiv-Verlag Ressourcen für eine eigene Unternehmensgründung zu entziehen. Im Juni und Juli 1943 eskalieren Konflikte zwischen Lackas und dem von Roeingh zur Einführung einer ordentlichen Buchführung angestellten Hans Neumann, der Roeingh schließlich zwingt, sich von Lackas zu trennen. Roeingh wird in den Korruptionsermittlungen des Spätsommers 1943 verhaftet. Die Akten aus dem Verfahren gegen ihn sind jedoch nicht überliefert. Am 17., 20., 21. 28. und 30.3. sowie am 3., 5., 6. und 12. April 1944 ist Roeingh als Zeuge im Prozeß gegen Lackas, Mold und von Riewel anwesend. Er selbst wird im gegen ihn laufenden Prozeß zu 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und einer Geldstrafe von RM 500.000.- verurteilt (diesbezügliche Mitteilung des Deutschen Archiv-Verlags vom 21.9.1944), kann jedoch, soweit ersichtlich sein Unternehmen halten - Hans Neumann versucht 1943 und 1944 alles, um vom treuhänderischen Leiter zum Eigentümer des Hauses zu werden.

Wenn die Gerüchte stimmen, die Matthias Lackas nach dem Krieg kolportierte, arbeitete Roeingh nach 1945 wieder in Berlin als Verleger - siehe Schreiben Lackas an Banzhaf vom 20.1.1946.

 

Literatur

Hans-Eugen Bühler/ Olaf Simons, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004), 208 S, ills. [Verlagswerbung]


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